Donnerstag, 30. Januar 2025

8: Sie atmet nicht mehr!

Nella wachte auf.
Es klopfte an der Tür. Oh nein! Bestimmt wollte ihr der Mensch sagen, dass sie bis 12 geschlafen hat und den Wecker verpennt hat!
Nella machte auf. Zum Glück war es nur Vidar, der mit ihr zum Frühstück gehen wollte. Sie ging mit ihm mit und erklärte ihm ihre Befürchtung.

Als sie fertig gefrühstückt hatten, wollten sie zum H P gehen, doch Waldo versperrte ihnen den Weg. >>Stopp! Vidar! Ich muss mit dir reden!<<, rief er.
Nella erschrak. Hatte Vidar etwas angerichtet? Hatte er Schulden bei Waldo gemacht? Um seine Schandtat nicht miterleben zu müssen, entfernte sie sich ein paar Schritte.
Waldo kommentierte dazu: >>Sehr gut! Du bist bei dieser Diskussion nicht nötig!<< Dann fuhr er an Vidar gerichtet fort: >>Ich lasse dich nicht ohne ein Geständnis durch! Bist du mit Nella zusammen?<<
Vidar grinste. >>Ja.<<
>>Das sage ich Amy. Ich wollte schon immer einen Skandal verbreiten. Du magst nämlich sicher noch andere.<<
>>Nicht nötig. Es wissen eh alle, dass wir zusammen sind. Lass mich jetzt durch.<<
>>Ich sage es ihr trotzdem. Jetzt kannst du gehen.<<
>>Super. Komm, Nella.<<
>>Gehen wir jetzt in den H P?<<, fragte Nella.
>>Ja. Das Wetter ist auch richtig gut. Waldo ist aber etwas nervig<<, sagte Vidar.
>>Ich mag ihn auch nicht. Sagt er es jetzt Amy?<<
>>Ja.<<
>>Mist. Er verkauft das sicher als Skandal.<<
>>Ja. Natürlich.<<
>>Das war ja auch so klar. Mit ihm werde ich echt noch mal reden. Der ist mich noch lange nicht los.<<
>>Ich kann auch mit ihm reden.<<
>>Keine Sorge! Mein einziges Gefühl dabei wird Wut sein.<<
>>Klar. Ich weiß doch, dass du nie und nimmer in ihn sein könntest. Also in den schon gar nicht. Echt.<<
>>Da stimme ich zu. Aber echt.<<
>>Ich würde mich auch echt überlistet und hintergangen fühlen, wenn nicht.<<
>>Seh ich aus wie eine listige Hintergeherin?<<
>>Ehrlich gesagt nicht. Deshalb würde ich mich noch betrogener fühlen.<<
>>Ich betrüge dich nicht!<<
>>Ich würde sofort abhauen und nie wieder was mit dir machen, wirklich.<<
>>Mit wem würdest du denn was machen?<<
>>Mit Amira-Parizad, der lieben Amira-Parizad.<<
>>Mit Amira-Parizad, der unliebsamen Amira-Parizad.<<
>>Ääähhh... genau. Ich lüge aber grad.<<
>>Wirklich?! Natürlich.<<
>>Ja, echt. Aber eine Frage: Bist du listig und eine Betrügerin?<<
>>Nein, auf keinen Fall! Nie im Leben! Warum sollte ich denn eine sein?<<
>>Wollte doch nur sichergehen.<<
>>Schon gut... Oh! So ein mieser Betrüger!<<
>>Ich?! Auf keinen Fall! Wie kommst du darauf?! Nella!<< Vidar verstand nicht.
>>Vidar ey, ich meine Malwin. Der ist grad mit Charlotte. Die laufen da ja grad zusammen rum.<<
>>Dann ist Charlotte aber auch eine Betrügerin! Sie ist nämlich mit dem armen Arvo! Na ja... Vielleicht hat sich Arvo als Malwin verkleidet und spielt ihm einen Streich, damit alle schlecht über Malwin reden.<<
>>Das wäre gerecht! Hallo Arvo, super Trick!<<
>>Boah! Nella! Du hast gelogen! Du betrügst mich! Du bist in Arvo! Außerdem ist es doch Malwin!<< Vidar starrte Nella an.
>>Ich bin nicht in Arvo! Ich hab doch nur Hallo gesagt! Und außerdem ist es mir auch aufgefallen, dass das Malwin ist!<<
>>Schnell! Ich sage Amy, dass Malwin und Charlotte zusammen sind! Du kannst es ja Eka sagen, wenn du willst!<< Vidar raste los.
>>Malwin produziert einen Skandal nach dem anderen und scheint das auch noch zu genießen! Eka würde diese Information nicht guttun. Inzwischen hat sie es wahrscheinlich schon selbst gemerkt!<<
Aber Vidar war schon weg.
Na gut, dann gehe ich eben zu Eka, dachte Nella. Als sie bei Ekas Zimmer angekommen war, rief sie sofort: >>Eka! Wie du wahrscheinlich schon mitbekommen hast: Malwin ist mit Charlotte zusammen! Das ist ein Skandal! Malwin ist skandalös!<<
>>Das kann nicht sein<<, sagte Eka. >>Malwin ist mit mir zusammen.<<
>>Nein, Eka! Malwin ist nicht mit dir zusammen! Oder er ist es eben doch, aber er liebt dich jedenfalls nicht!<<
>>Nella, das ist Quatsch. Vidar hat dir den Verstand vernebelt. Malwin hat bestimmt nur mit Charlotte geredet. Außerdem liebt mich Malwin. Davon gehe ich fest aus.<<
>>Eka, nein! Auch wenn er es dir gesagt hat: Malwin lügt! Auch jetzt noch liebt er Iracema mehr als dich! Sorry, dass ich dir das sagen musste, aber du musst die Wahrheit wissen!<<
>>Du hast den Verstand komplett verloren, Nella.<<
>>Das ist nicht wahr, Eka! Du musst mir glauben!<<
>>Wenn Malwin und Charlotte sich noch nicht geküsst haben, ist doch noch alles gut.<<
>>Nein, Eka! Neeeeeeeeeein! Versteh doch!<<
>>Na gut, ich glaube dir mal. Aber ich kann es mir nicht vorstellen.<<
>>Überzeug dich selbst! Frag Charlotte!<<
>>Aber... Warum war Malwin dann mit mir zusammen?<<
>>Weil er immer Verehrer haben will!<<
>>Es gibt doch An.<<
>>An verschmäht er, seit er geboren ist.<<
>>Mehr als mich?<<
>>Äh... Ja.<<
>>Na also.<<
>>Dich würde er aber auch nur zu gerne verschmähen. Dieses Risiko geht er aber nicht ein.<<
>>Langsam glaube ich dir. Du hast nämlich viele Beweise und klingst glaubwürdig. Aber warum tut Malwin das? Das verstehe ich nicht.<<
>>Ich auch nicht. Er ist eben ein böser Mensch.<<
>>Trotzdem. Ich frage ihn jetzt. Ich muss mich noch überzeugen. Und zwar von ihm, dann erfahre ich am meisten.<<
>>Mach es, wenn du willst! Aber du wirst danach sehr traurig sein.<<
>>Egal. Ist ja nicht so schlimm.<< Und Eka war fort.
>>Die arme Eka! Sie weiß gar nicht, was hier passiert!<< Nella sah ihr nach und blickte dann zu Boden. Sie verzog die Mundwinkel. Als sie aus dem Zimmer ging, traf sie auf Vidar. Der erzählte er ihr aufgewühlt: >>Amy wusste schon alles. Ich brauchte ihr gar nichts zu sagen. Dann haben wir die beiden zusammen beobachtet (ich mag Amy übrigens nicht) und gesehen, dass Arvo Malwin und Charlotte entdeckt hat und richtig sauer war. Er hat sich dann mit Malwin geprügelt und als Malwin ausholen wollte, um Arvo zu schlagen, hat er aus Versehen Charlotte erwischt. Sie war deshalb beleidigt und hat Malwin geschlagen. Danach hat sie richtig mitgeprügelt und war wieder auf Arvos Seite, aber irgendwann hat Malwin die beiden k. o. gehauen und ist weggegangen.<<
>>Vidar! Vidar!<<, schrie plötzlich jemand hinter ihnen. >>Carola-Lee ist weg!<<
Vidar drehte sich um. >>Ah, Amira-Parizad. Sorry, Nella, ich komm' gleich wieder. Ich helfe mal beim Suchen.<<
>>Grrrr!<< Nella kaute an ihren Fingernägeln. Kaum schaute sie weg, waren Vidar und Amira-Parizad auch schon weg. Plötzlich hörte sie wildes Geschrei. Zuerst hörte sie Amira-Parizads Stimme: >>Nein! Nein! Carola! Wach doch auf!<<
Dann hörte sie Vidar: >>Beruhige dich! Amira! Hey! Amira! Schrei doch nicht so! Sie ist doch nicht tot!<<
>>Und warum nicht? Hast du dafür einen Beweis?! Bitte schon!<<
>>Ein Mensch stirbt doch nicht einfach so! Sie atmet sicher noch! Ganz ruhig, Amira. So. Sie atmet... nicht!!! Amira! Carola-Lee atmet nicht mehr!<<
>>Sie atmet nicht mehr! Sie atmet nicht mehr! Was sollen wir machen?<<
>>Wie ist sie gestorben? Kann das sein? Was machen wir? ... Keine Ahnung! Ey! Ruhig bleiben! Gaanz ruhig!<<
>>Sie war schon so krank, als sie von ihrem letzten Besuch von Tina und Smilla zurückkam. Aber ich dachte, sie würde sich noch davon erholen. Die arme Carola! Mein Beileid.<<
>>Ach so? Sie war bei der Hypochonder-Schwester? Dann war die also wirklich krank und hat sie angesteckt!<<
>>Genau. Ich kann das immer noch nicht glauben. Wir müssen sie untersuchen. Aber sie war doch so lebendig!<<
>>Ich höre noch mal hin. Vielleicht atmet sie noch oder ihr Herz schägt noch oder so. Sie... Nein, sie ist tot.<<
>>Sie war meine beste Freundin. Wir waren richtige BFF.<< Amira-Parizad schluchzte laut auf.
>>Jetzt wein' doch nicht! Sie ist ja nur tot!<<, hörte Nella Vidar sagen.
>>Sie ist nicht >nur tot<! Sie ist tot!<<, schrie Amira-Parizad weinend.
Nella konnte sich das nicht mehr anhören. Sie konnte es nicht mehr aushalten, wie Amira-Parizad schrie, Vidar sie unverschämt tröstete und Carola-Lee starb beziehungsweise sogar schon tot war. Nella wandte sich beleidigt ab und traf auf Eka. Sie sah sehr traurig aus und hatte Tränen in den Augen.
>>Und?<<
>>Ich weiß es jetzt. Malwin hat's mir gesagt.<< Eka fing an zu weinen.
Nella legte ihre Hand auf Ekas Schulter. >>Ich hab's dir ja gesagt. Arme Eka.<<
>>Aber ich will dich nicht länger aufhalten. Du hast ja sicher noch was zu tun<<, schniefte Eka und ging in ihr Zimmer hinein.
>>Boah! Alle sind traurig! Das regt mich echt auf! Ich geh' jetzt zu Waldo und lasse an ihm meine Wut aus. Ich hatte ja eh noch eine Rechnung mit ihm zu begleichen<<, sagte Nella energisch und ging auf Waldo zu. Er grinste sie hämisch an. >>Ich hab die Information als Skandal an Amy verkauft!<<, kicherte er.
>>Aha! Dieser Verkauf wird dich teuer zu stehen kommen! Ich hab nämlich grad eine Gewitterlaune, du, Waldo!<<
>>He, chill! Ich hab nichts gemacht!<< Waldo funkelte sie hinter seinen Brillengläsern sauer an, was zu seinen roten Haaren sehr komisch aussah. Er fletschte die Zähne.
>>Chill selber! Ich bin grad echt aggressiv drauf!<<
>>Ich chill jetzt nicht! Und erst recht nicht, wenn du's mir sagst! Ich bin nämlich auch aggro! Also los! Sag mir gefälligst, was denn jetzt falsch ist!<<
>>Die ganze Situation! Du bist Schuld!<<
>>Du redest wie ein Kleinkind! Dabei bist eigentlich du Schuld! Weißt du das?<<
>>Ich bin nicht Schuld! Sieh das gefälligst ein!<<
>>Niemals! Die einzige Person, die jetzt etwas einsehen musst, bist du!<<
>>Ich sehe gar nichts ein! Boah, bist du zäh, ey!<<
>>Du bist 'ne echte Zicke! Geh doch zu Rhiannon! Ihr werdet euch prima verstehen! Ihr mögt Bela nämlich beide nicht! Das hat mir Amy gesteckt! Ich weiß fast alles über dich von Amy! Wir verstehen uns super!<<
>>Freut mich zu hören. Von dir will ich eh gar nix.<<
>>Wirklich nichts? Auch gar keinen Streit? Da bin ich aber froh.<<
>>Nee, ich will keinen Streit. Du willst ja Streit.<<
>>Ich will keinen Streit! Du bist auf mich zugegangen! Ich mag das nicht sagen, aber DU HAST ANGEFANGEN.<<
>>Mir doch egal, wer angefangen hat. Jetzt hör endlich auf, mich anzumotzen.<<
>>Ich motz' dich nicht an! Ich habe das alles gar nicht beabsichtigt! Dieser Streit ist total unnötig!<<
>>Klar motzt du mich an! Dieser Streit ist wirklich unnötig. Du hättest ihn niemals anfangen sollen.<<
>>Was hab ich gemacht?<<
>>Du hast mich zuerst angesprochen.<<
>>Wenn ich dich nicht angesprochen hätte, hättest du's getan! Also chill!<<
>>Hör auf mit deinem >Chill!<! Gerade ist mir so gar nicht zum Chillen!<<
>>Mir auch nicht, nhe?!<<
>>Schon gemerkt.<<
>>Besserwisserin! Jetzt chill mal wirklich! Ich mein's ernst!<<
>>Ich mein's auch ernst! Ich finde das mit dem Chillen grad echt... Keine Ahnung... doof.<<
>>Ja was?! Chill halt!<<
>>Äh... ja... Nein<<, sagte Nella abwesend, denn sie bemerkte, dass Vidar mit ernstem Gesichtsausdruck hinter ihr stand. Als sie sich nach ihm umdrehte, ging er weg und murmelte etwas.
Was hab ich Vidar getan?, dachte Nella.
Waldo nutzte die Gelegenheit und machte sich aus dem Staub. >>Feigling!<<, rief ihm Nella hinterher. Dann folgte sie Vidar. Er ging gerade in sein Zimmer hinein und schloss ab.
>>Mist!<<, fluchte Nella leise und stellte sich vor seine Zimmertür.

>>Oho, was machst du denn hier?<<, fragte Amy, die gerade vorbeilief. >>Wir haben Mittag. Isst du nicht?<< Ohne eine Antwort abzuwarten, hastete sie weiter.
Nella beschloss, nicht zum Essen zu gehen. Sie würde Vidar weiter belagern.
Nach einer halben Stunde wurde ihr langweilig. >>Vidar, was hast du?!<<, rief sie Vidar durch das Schlüsselloch zu.
Vidar antwortete nicht.
>>Was hast du?<<, wiederholte sie. >>Hab ich dir was getan?<<
>>Von wegen Nicht-Betrügerin!<<, rief Vidar.
>>Hä? Ich bin keine Betrügerin! Wie kommst du auf sowas?<<
>>Das weißt du genau! Jetzt tu nicht so, als ob du nichts wüsstest! Ich weiß, dass du nur so tust, als ob du keine Betrügerin wärst!<<
>>Ich versteh' das nicht! Was meinst du?<<
Vidar riss die Tür auf und kam heraus. >>Du weißt besser als ich, was ich meine!<<
>>Das stimmt nicht! Vidar, sag mir die Wahrheit!<<
>>Du kennst die Wahrheit! Du liebst Waldo! Oder du magst ihn eben!<<
>>WAS? Ich und Waldo lieben? Nie im Leben! Ich hasse Waldo! Ich hab gerade mit ihm gestritten!<<
>>Weiß ich ja! Hab ich ja auch gesehen! Das beweist ja, dass du mit ihm zusammen bist und es jetzt nicht mehr bist, weil du dich mit ihm gestritten hast!<<
>>Ich war nie mit Waldo zusammen! Shun kann das bezeugen!<<
>>Denkst du, ich glaube Shun? Wer sagt denn, dass du ihn nicht auch magst?<<
>>Ich! Ich sage, dass ich Shun nicht auch mag! Weder Shun noch Waldo! Aber wenn das so weiter geht, zählst du gleich auch zu denen, die ich nicht mehr mag!<<
>>Christabel ist lieber als du!<< Vidar krachte die Tür wieder zu. >>Und Amira-Parizad erst recht!<<
>>Für dich vielleicht! Ist mir aber egal!<<
>>Meinetwegen kannst du mit Waldo zusammen sein! Mich kümmert's nicht mehr!<<
>>Ich war nie mit Waldo, bin nicht mit Waldo und werde nie mit Waldo sein! Aber sollst du doch denken, dass ich mit Waldo bin!<<
Vidar schwieg.
Nella schlug auf seine Tür und ging zum H P. >>Ich sage nicht, dass ich Shun nicht mag<<, sagte sie. >>Aber keiner kann mich zwingen, Vidar die Wahrheit zu sagen. Im Gegensatz zu ihm ist Waldo vielleicht auch gar nicht so schlimm.<< Ein paar Schritte weiter entdeckte Nella Shun. >>Wo ist Mitsuko?<<, fragte sie ihn.
>>Nicht weit. Beim Auftragsschneider eine Straße weiter.<< Shun schaute sich um.
>>Auftragsschneider? Was will sie denn haben?<<
>>Na, ein Kleid halt. In weiß. Ist zwar nicht ihre Lieblingsfarbe, aber... Was soll's? Tradition ist Tradition. Und dann noch eins in Rot oder Pink oder Grün... Keine Ahnung. Einen Kimono.<<
>>Ich wollte auch schon immer einen Kimono haben! Einen richtigen Kimono! Ich wusste gar nicht, dass es weiße Kimonos gibt! Sicher richtig schick.<<
>>Ja, richtig schick. Und ganz pompös mit Glitzer und was noch alles. Aber leider kein Kimono. Das andere ist ein Kimono, das hat sie schon, von ihrer Mutter bekommen, ihrer verfluchten Mutter. Ihrer verfluchten und nochmals und doppelt und dreifach verfluchten Mutter, dieser ... Matsu.<<
>>Wozu braucht sie dieses Kleid? Und warum verfluchst du die arme Matsu?<<
>>Es ist so... Ich... Ich werde Mitsuko heiraten.<<
>>Aber du bist dafür doch noch viel zu jung! Wie kann das sein? Und warum heiratest du Mitsuko?<<
>>Wen interessiert's, dass ich jung bin? Weiß doch keiner! Und außerdem will nicht ich Mitsuko heiraten und auch nicht Mitsuko mich. Matsu, Mitsukos Mutter will, dass Mitsuko mich heiratet. Und Mitsukos Vater will das auch. Einfach nur, weil ich Japaner bin. So ist das.<<
>>Aber sie dürfen euch doch nicht zwingen, zu heiraten! Warum habt ihr denn keinen Einspruch erhoben?<<
>>Die ganze Familie von Mitsuko ist dafür, Widerstand wäre zwecklos. Außerdem hat ja keiner außer mir und Mitsuko einen Nutzen davon, wenn ich sie doch nicht heirate.<<
>>Und deine Familie?<<
>>Ist in Japan, hat damit nichts zu tun. Ich bin ein Heimer. Deshalb hat sie keinen Kontakt mehr zu mir. Sie denkt ja auch, ich wäre schon erwachsen.<<
>>Wir müssen verhindern, dass ihr verheiratet werdet!<<
>>Wieso? Du hast doch nichts davon. Außerdem geht das nicht. Es gibt da nichts zu verhindern und die Hochzeit ist bereits geplant. Mitsuko lässt sich ja auch gerade ihr Hochzeitskleid anfertigen.<<
>>Zum Glück werden eure Eltern trotzdem angezeigt. Das Standesamt wird euch ja fragen, ob ihr heiraten wollt. Und außerdem müsst ihr euch auf der Hochzeit ja küssen und wenn ihr das nicht tut, wird man schon merken, dass ihr nicht heiraten wollt.<<
>>Beim Standesamt wird Mitsuko Ja sagen, weil ihre Eltern ihr Druck machen. Und ich werde nichts sagen, weil Mitsukos Meinung einfach schon zählt. Und wir werden uns trotzdem küssen, auch wenn wir es nicht wollen und uns nicht lieben.<<
>>Schade. Es gibt offenbar keinen Ausweg. Ihr Armen.<<
>>Warum willst du denn unbedingt verhindern, dass ich Mitsuko heirate? Ich bin für dich nichts als ein Freund, den du nicht brauchst, außer, wenn du dich bei mir ausheulen willst, wenn du Liebeskummer hast.<<
>>Ja, aber... Ihr könnt nicht heiraten. Das geht einfach nicht. Ich lasse das nicht zu. Und nicht, weil ich dich selber heiraten will, sondern...<<
Shun blickte Nella eindringlich an. >>Ich werde Mitsuko heiraten.<<
>>Nein! Nein! ...Nein, Shun. Du... Du darfst Mitsuko einfach nicht heiraten.<< Nella hielt ihn fest und sah zu Boden.
>>Nella, es muss sein. Es steht doch schon fest. Ich will es ja auch nicht, aber... Ich habe es doch immer gesagt: Mitsuko ist
watashi no shōrai no tsuma. Das bedeutet: Mitsuko ist meine zukünftige Ehefrau.<< Shun richtete seinen Blick wie so oft ins leere Nichts.
>>Du schaust ins Nichts. Ich verstehe. Mitsuko ist für dich nichts.<<
>>Nein, es ist anders. Ich schaue dorthin, weil dort nichts ist. Nicht einmal Zukunft, und auch keine schlimmen Gedanken. Dort ist nichts.<<
>>Dort ist nichts... Nicht einmal Zukunft. Und auch keine schlimmen Gedanken an die Zukunft... An deine schlimme Zukunft.<<
>>Na ja... Wenn ich so darüber nachdenke... Ich habe keine richtige Zukunft. Ich weiß ja, was passieren wird.<<
>>Trotzdem hast du eine Zukunft. Und du weißt immer noch nicht alles, was in deiner Zukunft passieren wird.<<
>>Weißt du es denn?<<
>>Nein. Auch wenn ich es zu gern wüsste.<<
>>Vielleicht willst du es ja auch gar nicht einmal so genau wissen. Wer weiß, sie kann ja auch schrecklich sein... Schrecklicher, als ich es mir vorher immer ausgemalt habe. Noch schrecklich langweiliger und eintöniger, oder auch schrecklich stressiger und hektischer...<<
>>Eine schreckliche Sache wird passieren. Sie wird schrecklicher sein, als es sich bisher die ganze Welt ausgemalt hat. Der Tod. Niemand weiß, wie er sich anfühlt.<<
>>Vielleicht wird er für mich ja nicht schrecklich sein. Es kann ja sein, dass er mich erlöst. Und es kann ja auch sein, dass ich nach dem Tod weiterlebe.<<
>>Das glaube ich nicht! Nach dem Tod ist man tot! Sowie Carola-Lee. Sie ist tot.<<
>>Ich weiß, du hast ja recht. Aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, irgendwann plötzlich tot zu sein, einfach tot, mausetot. Ich werde dann ja einfach gar nicht mehr leben und auch nie wieder leben... Das kann ich mir nicht vorstellen. Und mein Ich wird es dann auch plötzlich nicht mehr geben, nur noch die anderen, aber das werde ich nicht mitbekommen... Na ja, ich lasse dich lieber mit Philosophie in Frieden. Du interessierst dich nicht so dafür.<<
>>Nee, echt nicht. Ah, da kommt Mitsuko.<<
Shun seufzte und ging Mitsuko entgegen. >>Wie ist's gelaufen? Was für ein Hochzeitskleid holst du dir?<<
>>Nach europäischer Tradition darfst du es noch nicht sehen, aber ich zeige es dir trotzdem. Es ist schon fertig.<<
>>Was? Der Schneider ist aber echt fix! Respekt!<<
>>Na ja...<<, gab Mitsuko zu bedenken und holte das Kleid aus einer großen Tasche.
Shun musste kurz lachen. >>Ach so. Da ist ja noch das Kimono pompöser.<<
>>Wozu braucht man Pomp, wenn man sich doch nicht freut? Mein Kleid ist schlicht.<<
>>Das ist mir sehr recht, Mitsuko. Ehrlich gesagt interessiere ich mich auch nicht wirklich dafür, was du da anziehst.<<
>>Ich hatte ja schon Zweifel, überhaupt zum Schneider zu gehen. Eigentlich hatte ich sogar vor, ein normales helles Kleid anzuziehen.<<
>>Umweltfreundlicher Gedanke.<<
>>Stimmt.<<
Shun steckte das Kleid wieder in die große Tasche. >>Wann ist die Hochzeit eigentlich? Ich freu' mich nicht drauf.<<
>>Steht im Kalender. Ich hab mir das Datum nicht gemerkt.<<
>>Das wird der schrecklichste Tag meines Lebens. Danach werden wir aneinandergefesselt sein. Wenn wir uns scheiden lassen würden, wären deine Eltern sauer. Und das hätte keine guten Folgen.<<
>>Ich will nicht erst daran denken.<<
>>Übrigens, Nella ist auch gegen die Hochzeit. Warum auch immer.<<
>>War ja klar. Nella hält die Situation für total normal und denkt, dass wir uns noch einfach so retten können.<< Mitsuko verdrehte die Augen.
>>Nein, Mitsuko. Irgendwie hab ich das Gefühl, dass sie das nicht für Quatsch hält. Sie will es auf jeden Fall nicht nur aus Spaß verhindern. Aber warum, weiß ich nicht.<< Shun blickte zu Nella.
>>Das stimmt! Ich werde nicht zulassen, dass ihr heiratet!<<, meinte diese.
>>Nella, du bist leider dumm! Dumm und viel zu oft wütend! Du hast keine Kontrolle über dein Gehirn und deine Gefühle! Dein Verstand ist völlig begrenzt! Du begreifst nur das, was dich betrifft! Wir können unsere Hochzeit nicht mehr verhindern! Ich liebe Shun nicht, aber ich werde nicht akzeptieren, dass er in deine Fänge gerät! Shun ist ein schlauer Mensch! Er hat Kontrolle über seine Gefühle und sein Verstand ist unbegrenzt!<<, konterte Mitsuko. >>Dein einziges Wissen ist in... keinem Fach! Nehmen wir zum Beispiel Geografie. Was ist die Hauptstadt von Malawi? Wie steht es um Taiwan? Oder noch einfacher: Auf welchem Kontinent liegt Liechtenstein? Das weißt du alles nicht! Dein Wissen ist begrenzt! Solche Informationen siehst du nicht als wichtig an! Dir geht es nur um dein Aussehen, deine Nahrung, deine Affären, deine Feinde und Freunde und eben noch ein paar unwichtige Sachen.<<
>>Liechtenstein? Äh... Liechtenstein liegt auf dem Kontinent Europa! Taiwan ist, glaube ich, eine Insel und Malawi gibt es, glaube ich, nicht!<<
>>Malawi gibt es! Es ist ein kleines Land und liegt auf dem afrikanischen Kontinent! Seine Hauptstadt ist Lilongwe!<<
>>Toll, aber woher soll ich das wissen? Hat mir bisher noch keiner erzählt!<<
>>So etwas muss dir keiner erzählen! Du kannst dich auch eigenhändig auf eigene Faust mit Geografie beschäftigen! Falls du von einer Reise nach Afrika schwärmst, solltest du sehr wohl über Malawi bescheid wissen!<<
>>Du bist auch schlau, Mitsuko<<, sagte Shun. >>Es wäre echtes Glück, wenn ich dich doch lieben könnte. Aber ich werde es nie können, das weiß ich schon jetzt.<<
>>Und das ist auch gut so! Wenn ihr nicht heiraten wollt, wollt ihr nicht heiraten! Und ihr werdet auch nicht heiraten!<<, rief Nella.
Mitsuko explodierte. >>Wir werden heiraten!!! Geht dir das nicht in de Schädel?! Du musst deinen Verstand unbedingt erweitern, sonst halte ich es nicht aus! Du... Du dummes, unverständiges, dickes... Na, wie soll ich sagen? Gebe es Amaterasu, dass du endlich Verstand erlangst! Gebe sie es doch, um ihrer Willen!<<
>>Beruhige dich! Nella ist eben unverständig. Da kann man nichts machen, nicht mal die mächtige Amaterasu. Aber um Nellas Willen erwähne ich sie nicht weiter, weil sie von Philosophie und Religion nichts versteht.<<
>>Gehen wir. Du bist mir lieber als sie.<<
Nella ballte die Fäuste und ließ die hereinbrechende Dunkelheit auf sich wirken. Nach einer Minute war sie schon deutlich ruhiger. Verschwitzt machte sie sich auf den Weg zu ihrem Zimmer. Beim Gebäude angekommen, traf sie auf Eka. Die fragte: >>Wollen wir nach dem Abendessen (also nachdem du gegessen hast, ich hab ja schon mit den anderen gegessen) Stephan und Roxana, äh, Malwin und wen auch immer, Thilo und Ora-Magnolia oder Ahuva beobachten?<<
>>Welche Band singt denn jetzt?<<
>>Keine Ahnung. >Die Klänge der Liebe<, glaube ich. Kann aber auch sein, dass >Vollmondnacht macht. Oder halt beide oder >Aphrodite<. Ich weiß es halt nicht.<<
>>Stimmt, >Die Klänge der Liebe< ist jetzt dran. Da macht Ahuva mit. Die beobachten wir dann.<<
>>Aber mit Ling hat sie doch nichts! Die ist bloß ihre beste Freundin und mit ihr in der Band!<<
>>Ja, aber sie faselt sicher über irgendwen, der nicht Ling ist.<<
>>Gut.<<
Nella aß noch schnell etwas, dann schnappten sich die Freundinnen 2 Barhocker vor der Bühne und hörten >>Die Klänge der Liebe<< zu. Das Lied ging so:

Ahuva And Ling Ahuva And the super-mega-cool Ling! Ahuva And the super cool Ling! Ahuva And the coolest Ling in the world! Ahuva... Listen, Ahuva! Why don't you imitate me? Because I can! Hey, be honest now! Because I can! I can do it Very super-mega-honest! You're so fake! Now get started! I'm so in love, but you're not, that's such a shame! Who are you in? I could give you up now,
But it's not worth it because I'm too in love!
When will you finally notice this? Who are you in? I could really give up on you now,
But it's still not worth it because I'm way too in love! Hey! Who are you in love with? Why Hey? I'm in Bela, everyone knows!
What else are you asking? I'm in love with Bela! But if he's into you, it's not you anymore! I don't care, I'm in love with him! Hey! Why didn't you ever tell me that?
We're BFF, the whole world already knows it,
And I'm the last to know! I don't care, I'm in love with him! I could hate you, but I don't because we're BFF,
Even though I don't even know if that's true anymore! Of course it's still true,
But I don't care! I'm in love with him!
Right now I'm just living for Bela, right now.
But Ling,
You know very well that later I will only live for you! This is how Ahuva, my real BFF, speaks!
If you only live for me,
I can wear jade as much as I want,
But I'm far too poor... Still, I'll wear it, but it'll be fake! You will wear them because you can,
Not because you are rich! If it's fake, I don't care!
I'm in love with him! This is how Ahuva, my real BFF, speaks!
It's not made of gold, everyone knows that,
But for me it's made of jade,
And that's much more important! Gold is nothing to me, to be honest not even jade,
Bela is something to me! Hey!

>>Aha! Ahuva ist also in Bela!<<, sagte Nella.
>>Das bleibt nicht lange so, ich sag's dir<<, kicherte Eka.
>>Nee, das bleibt echt nicht lange so.<<
Nella schlug sich mit der Faust auf den Oberschenkel.

Etwas später gingen sie schlafen.

Donnerstag, 23. Januar 2025

7: Lauschaktion Wataschi

Als Nella am nächsten Morgen zum Frühstück kam, war sie fast die erste. Ansonsten war nur Vidar schon da. >>Weißt du, wo Eka ist?<<, fragte sie ihn.
>>Ja<<, sagte Vidar.
>>Wo? Normalerweise ist sie immer die erste beim Frühstück!<<
>>Sie war auch schon hier. Dann ist Malwin gekommen und hat mit ihr ein Gespräch angefangen. Irgendwann sind die beiden zusammen weggegangen. Ich glaube, sie sind in Richtung HP gelaufen.<<
>>Aha! Malwin war am Werk! Eine typische malwinische Entführung.<<
>>Iracema ist übrigens immer noch im Krankenhaus. Das hat er Eka gesagt.<<
>>Bestimmt will er sich jetzt bei Eka einschleimen, weil er keine Chance auf Iracema mehr hat.<<
>>Er sah auch nicht sehr verknallt aus, als er mit Eka geredet hat.<<
>>Sieht ihm ähnlich. Gestern Abend hab ich übrigens... Ach, egal.<< Nella wurde rot.
>>Na, komm. Scheint wichtig zu sein. Was ist es denn?<<
>>Nein, nein. Nicht so wichtig... Alles gut.<<
>>Aber darf ich dir zumindest eine Frage stellen?<<
>>Ja.<<
>>Hat es was mit mir zu tun?<<
>>Äh... Nur mehr oder weniger.<<
>>Nella! Komm. Sag's.<<
>>Will aber nicht.<<
>>Keiner ist dabei! Wir sind allein hier! Siehst du das nicht?<<
>>Na gut. Es hat sehr viel mit dir zu tun.<<
>>Was hast du denn so spezielles gemacht? Hast du mit Christabel geredet? Bist du in mein Zimmer geschlichen und hast mein Handy geklaut? Hast du mich gemalt?<<
>>Natürlich nicht. Ich hab... Ich hab bloß an dich gedacht.<<
>>Toll. Negativ oder positiv?<<
Nella seufzte. >>Positiv.<<
>>Dann ist das ja nicht so geheim. Du hast ja einfach nur positiv über mich gedacht und das war's. Es gibt bestimmt viele, die abends positiv über mich denken oder an mich denken.<<
>>Nein, nein... Du verstehst mich falsch!<<
>>Ich verstehe dich überhaupt nicht falsch. Vielleicht denkt Amira-Parizad noch positiver über mich als du! Sie ist ein ziemlicher Fan von mir und ist immer dabei, wenn >die Band< am Abend auf der Bühne singt. Es kann sogar sein, dass sie in mich verliebt ist... oder war.<<
>>Diese Amira-Parizad! Ich höre auch ziemlich oft der >Band< zu!<<
>>Ja, wegen Eka, oder? Und die wegen Malwin.<<
>>In letzter Zeit mache ich gar nicht mehr so viel mit Eka! Und wegen Malwin würde ich der >Band< nie zuhören!<<
>>Aha! Hast du etwa noch positiver als die liebe Amira gedacht?<<
>>Pah, die >liebe Amira<! Amira-Parizad heißt sie! Wenn du mit ihr redest, kannst du sie gern Amira nennen, aber wenn du mit anderen redest, ist das nicht so nett!<<
>>Findest du? Na gut. Dann eben >die liebe Amira-Parizad<.<<
>>Will hoffen, dass das nicht wahr ist.<<
>>Was?! Erst willst du, dass ich sie die >liebe Amira-Parizad< nenne, und dann willst du das wieder nicht!<<
>>Nein, das meine ich doch gar nicht! Es geht darum, dass sie nicht lieb ist!<<
>>Jetzt lügst du aber! Sie ist zumindest lieber als Christabel, das steht fest!<<
>>Eigentlich finde ich es sogar gut, dass Christabel dich beleidigt und geprügelt hat! Nicht, weil ich dir schaden will, sondern weil du sie dadurch nicht mehr magst!<<
>>Schon gut, schon gut. Zurück zum Thema. Deine positiven Gedanken also. Ich bin ganz Ohr.<<
>>Ich hätte gedacht, dass du dir meine positiven Gedanken vorstellen kannst.<<
>>Nee, leider nicht. Ich weiß gar nicht, wie es in deinem Kopf so aussieht.<<
>>Ziemlich rot. Aber nicht vor Wut.<<
Vidar sprang vom Stuhl. >>Aha! Das ist es also! Jetzt hab ich's kapiert!<<
>>Genau, so ziemlich sehr positive Gedanken.<<
>>Sag, stimmt's, dass du in mich verknallt bist? Mal so ganz ehrlich!<<
>>Ich will nicht!<<
>>Ey, hier ist immer noch keiner.<<
>>Aber du weißt es doch eh!<<
>>Vielleicht tust du nur so und lügst die ganze Zeit. Ich hab keine Nase für sowas wie Stanisław. Deshalb sollst du es mir jetzt bitte sagen.<<
>>Na gut. Ja. Meinetwegen.<<
>>Noch mal. Du hattest die Arme über Kreuz.<<
Nella ließ die Arme sinken und sagte noch einmal: >>Ja.<<
>>Aha, du Geheimniskrämerin!<<
Nella setzte sich hin und schmierte sich ihr Brot mit Marmelade.
>>Jetzt tu nicht so, als wäre nichts gewesen, Nella. Willst du mir noch irgendwas sagen?<<
>>Nein.<<
>>Okay.<< Vidar schmierte sich sein Brot auch.
>>Bist du's denn?<<, fragte Nella plötzlich. >>Wahrscheinlich nicht, nhe?<<
>>Muss ich das denn so genau wissen? Irgendwie schon und irgendwie nicht.<<
>>Du kannst es dir ja noch mal überlegen.<< Dann schwiegen sie. Langsam kamen auch die anderen in den Raum, darunter Shun. Er sah niedergeschlagener aus als eh und je.
>>Hi Shun! Geht's dir nicht gut?<<, fragte Nella.
>>Doch, mir geht es super. Ich habe gar keine Probleme... Und werde auch nie wieder welche haben... Jedenfalls keine großen. Ja, mir geht's wunderbar, richtig ausgezeichnet.<< Dabei ließ er den Kopf tiefer hängen, als Nella ihn je dabei beobachtet hatte.
>>Diese Mitsuko macht dir Sorgen, nhe?<<
>>Sorgen nicht gerade. Nee, Sorgen nicht.<<
>>Iss erst mal was, das tut sicher gut.<<
>>Ja, ja. Mein körperlicher Zustand ist ja auch extrem gut. Normalerweise hab ich ein bisschen Schnupfen. Heute nicht, ausnahmsweise. Ich find's aber nicht toll. Blöd finde ich das natürlich auch nicht. Es ist mir eben egal.<<
>>Warum bist du so apathisch? Ich weiß, Mitsuko hat dir deine Zukunft auf irgendeine Weise zerstört, aber selbst wenn du mit ihr verheiratet würdest, könntest du ja immer noch Spaß haben und dich mit Freunden treffen!<<
>>In einem bestimmten Punkt hast du da Recht, Nella, aber sonst... Du weißt eben nicht, wie recht du da hast! Und wie unrecht.<<
>>Ich verstehe dich nicht mehr. Hilft dir vielleicht eine Erzählung?<<
>>Sie wird mir nicht helfen, so wenig, wie mir jetzt die Haruki-Murakami-Hörbücher noch helfen, aber du kannst es mir trotzdem erzählen, wenn du darauf bestehst.<<
>>Cool! Dann erzähle ich es dir! Ich bin nämlich fast mit Vidar zusammen, er muss mir nur noch sagen, ob er das auch will!<<
>>Ich halte das für absoluten Quatsch. Stanisław, Bela, jetzt dieser Vidar... Das ist alles eine Schnapsidee. Aber meinetwegen, lebe dein Leben, ich sollte mich da raushalten und meine Finger davon lassen.<<
>>Nein, Shun! Das ist keine Schnapsidee! Ich war nicht in Stanisław und Bela verliebt!<<
>>Ja, das wusste ich von Anfang an. Und du bist auch nicht in Vidar verliebt, so wenig, wie du in Bela warst. Ich gebe dir einen Euro, wenn du morgen immer noch in Vidar verliebt bist. Und mit dem sollst du ihn auf ein Eis einladen, falls du ihn tatsächlich von mir erhältst, was ich bezweifle. Die Wettervorhersage hat es mir vorhin erzählt, dass morgen sommerliches Wetter ist. Natürlich hat sie aus einer seltsamen modernen Box, die Radio heißt, erzählt.<<
>>Gut, Shun. Morgen um 10 lade ich Vidar auf ein Eis ein. Die Wette gilt. Ich werde dich anrufen und dir sagen, dass ich immer noch in Vidar verliebt bin. Dann wirst du zu der Eisdiele kommen und mir den Euro geben.<<
>>Abgemacht.<<

Am nächsten Tag kam es tatsächlich so. Nella hatte Shun um Punkt 10 angerufen und ihm gesagt, dass sie immer noch in Vidar verliebt war. Shun war pünktlich zur Eisdiele gekommen und hatte ihr (übrigens sehr lustlos) den Euro gegeben. >>Ich hätte dir übrigens auch 2 Euro gegeben, auch drei, eigentlich auch hundert. Du kannst mich gerne ruinieren, ausplündern. Ein bisschen Geld werde ich immer haben, das weiß ich schon jetzt. Es sei denn, dieses Geld werde ich verlieren, wenn ich es habe, aber das wird mir meine Zukunft nicht bieten können, nicht mal das.<<
>>Ich ruiniere dich trotzdem nicht, Shun. Dein Geld wirst du noch brauchen. Vielleicht kommt es ja doch anders.<<
>>Mein Portemonnaie steckt in meiner Hosentasche. Du kannst es mir wegnehmen. Ich könnte es dir auch selbst geben. Dann würden alle über mich reden und ich wäre das Gesprächsthema aller Heimer. Das würde ich aushalten. Ich kann jetzt alle Lasten tragen, selbst die, dass Carla mich zum Tode verurteilt oder dass ich in ein Verließ verbannt werde. Ich bin überflüssig.<<
>>Sag sowas nicht! Und behalte dein Portemonnaie!<<
>>Wie du wünschst.<< Shun seufzte und drehte ihr den Rücken zu.
Nella konnte sehen, dass aus dem Schatten einer großen Kastanie eine kleine, rundliche, dunkelhaarige Gestalt kam und einfach mitging.
Shun schaute noch einmal zurück und sein Gesicht bestand aus nichts anderem als Hoffnungslosigkeit.
Das muss Mitsuko sein!, dachte Nella. Mitsuko, das Wesen, das Shun seine Lebensfreude weggenommen hat. Was für ein schrecklicher Mensch muss sie sein! Sie hörte, wie Shun zu Mitsuko sagte: >>Du bist Mitsuko,
watashi no shōrai no tsuma. Ich kann nichts dafür.<<
>>Ich kann auch nichts dafür und außerdem tut es mir sehr leid<<, hörte Nella Mitsuko noch sagen. Dann waren sie verschwunden. Aber Nella konnte noch immer spüren, wie unglücklich sie waren, denn sie waren nicht in die Welt verschwunden, sondern ins Unglück. Nella sah noch lange in die Richtung, in die Shun und Mitsuko verschwunden waren, obwohl nicht die kleinste Spur von ihnen noch zu sehen war. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn sie ihn doch geliebt hätte, denn dann hätte sie ihn vielleicht vor seinem Unglück bewahren können, doch jetzt war es zu spät.
Plötzlich fuhr sie zusammen. Vidar tickte sie an. >>He, Nella! Wir sind an der Reihe! Hat er dir den Euro gegeben? Jeder von uns kann ein Eis haben, denn eine Kugel Eis kostet 50 Cent!<<
>>So billig?<<
>>Ja, klar! Ich nehme Schoko.<<
>>Okay. Äh... Ich nehme Stracciatella<<, entschied Nella und bestellte. Bald darauf hatte sie eine Eiswaffel mit einer Kugel Stracciatella obendrauf in der Hand. Sie leckte am Eis. Bäh!, dachte sie. Kein Wunder, dass dieses Eis so billig war! Vidar schien es offenbar zu schmecken.
Nella unterdrückte ihren Ekel. >>Lecker!<<, presste sie hervor.
>>Find' ich auch<<, sagte Vidar genüsslich.
>>Hast du es dir jetzt eigentlich überlegt?<<, fragte sie.
>>Ja<<, sagte Vidar. >>Die Antwort lautet Ja.<<
>>Super. Ist dir eigentlich aufgefallen, wie deprimiert Shun ist?<<
>>Ja. Aber mir ist das nicht so neu. Ich fand ihn ja schon immer komisch.<<
>>Eigentlich ist er gar nicht so komisch. Er ist nur wegen Mitsuko komisch.<<
>>Die Wataschi-Frau finde ich auch komisch.<<
>>Genau. Dieses Wataschinono-Gerede ist mir bis heute ein Rätsel. Aber es hat auf jeden Fall etwas mit Mitsuko zu tun.<<
>>Ja. Es spricht ja auch nur Shun über Wataschinonoschoraizumano.<<
>>Vielleicht sind das die Namen von Mitsuko?<<
>>Stimmt! Das kann gut sein! Darauf bin ich noch gar nicht gekommen! Frag ihn doch mal.<<
>>Ich weiß nicht, ob Shun es mir sagen würde.<<
>>Dann nicht. Aber das Schokoeis ist lecker.<<
>>Cool. Meins schmeckt mir ehrlich gesagt nicht so.<<
>>Deine Schuld. Es gab auch Amarena, das findest du bestimmt leckerer. Nee. Kipp's weg.<<
>>Okay. Ich kipp's weg. Den geschenkten Euro war's ja wert. Trotzdem komisch. Normalerweise schmeckt mir Stracciatella immer.<<
>>Das Eis hat halt schlechte Qualität, deshalb ist es ja auch so spottbillig. Übrigens ist deine Theorie über Mitsukos Namen nicht ganz durchdacht, denn was ist für Shun denn so schlimm an japanischen Namen?<<
>>Stimmt.<<
>>Vielleicht hat er genug von den Namen, weil er aus Japan kommt und die japanischen Namen für ihn total eintönig sind. Oder er hat schlechte Erfahrungen mit Japan und wenn er ganz viel mit Mitsuko Schoraiwaschi machen muss, wird er daran erinnert und ist die ganze Zeit deprimiert.<<
>>Stimmt, aber irgendwie kommt mir die Theorie mit den Namen jetzt doch unwahrscheinlich vor.<<
>>Also ich finde sie eigentlich wahrscheinlich, denn das klingt schon ganz gut: Mitsuko Wataschi Nono Schorai Zumano.<<
>>Ich glaube, der Satz ging ein bisschen anders, aber egal.<<
>>Ja, ich glaube, bei Malwin war auch was anders. Nämlich sein Plan. Der ist schiefgegangen. Iracema ist jetzt nämlich nicht mehr in ihn, sondern in Bubi. Und vielleicht lebt sie auch nicht mehr so lange. Außerdem wollte er eigentlich gar nichts mit Eka machen und tut das nur, weil er nicht mehr mit Iracema ist, aber will, dass immer jemand in ihn ist.<<
>>Ja, ich glaube, Bubi, der mein Cousin ist, ist jetzt nicht mehr mit Hope zusammen.<<
>>Stimmt. Hat er mir auch schon gesagt. Er hat mit Hope Schluss gemacht. Die war ihm wohl zu crazy und zickig.<<
>>Ja, sie ist wirklich eine Crazyzicke.<<
>>Rhiannon und Bela machen übrigens gar nichts mehr zusammen.<<
>>Passt zu denen.<<
>>Mit Lebron macht Rhiannon übrigens auch nichts mehr. Der ist ihr anscheinend zu wechselhaft geworden. Hinter ihrem Rücken hatter er was mit Venus und hinter Venus' Rücken was mit Rhiannon... Ich kann verstehen, dass sie nichts mehr mit ihm macht. Lebron ist jetzt total mit Venus.<<
>>Ja, das stimmt, aber Rhiannon war auch sehr wechselhaft. Hinter seinem Rücken hatte sie andauernd was mit Bela.<<
>>Eigentlich ist sie überhaupt nicht wechselhaft, weil sie nämlich schlicht in gar keinen ist. Finde ich übrigens nicht besser.<<
>>Finde ich auch nicht besser.<<
>>Du bist übrigens nicht weniger wechselhaft...<<
>>Bin ich gar nicht! In Stanis
ław und Bela war ich nicht!<<
>>Gut. Ich hab grad Eka und Malwin gesehen.<<
>>Was haben sie gemacht?<<
>>Sie sind eben zusammen rumgelaufen.<<
>>Aha. Eka merkt natürlich nicht, dass Malwin nicht in sie verknallt ist.<<
>>Ich glaube, er ist zurzeit in niemanden. Es kann ja nicht sein, dass er immer noch Iracema mag. Die ist ja voll in Bubi und zu Malwins Charakter passt das nicht.<<
>>Mir ist es sehr recht, dass Malwin in Iracema ist, die ihn nicht mag. Es passiert sehr oft andersrum.<<
>>Ist Valeska eigentlich noch in Shun?<<
>>Ich glaub' schon.<<
>>Dann muss sie aber wirklich sehr verknallt sein. Shun kennt seine Zukunft anscheinend ja schon in- und auswenig, hat ganz viel mit der Wataschimitsuko zu tun und ist die ganze Zeit so depri.<<
>>Ich weiß es nicht. Es hat mir aber noch keiner erzählt, dass sie es nicht mehr ist.<<
>>Und ihre Freundin An ist in Malwin.<<
>>Ja. Er hat sich seine ganzen Verehrer alle nicht verdient.<<
>>Übrigens, Nella: Bubi hat, glaube ich, nicht wegen Hope an sich Schluss gemacht, sondern wegen Midori. Ich hab die beiden heute zusammen gesehen. Bubi ist aber auch richtig wechselhaft... Na ja, ich auch. Äh.<<
>>Mit wem warst du denn schon alles?<<
Vidar räusperte sich. >>Äh... Ja. Eigentlich nur Ahuva. Ganz kurz. Dann war ich in Christabel, die stur in Stanisław ist, ja... Dann kamst du und wir sind halt zusammen.<<
>>Meinst du, das wird so bleiben?<<
>>Eher nicht. Wir vertragen uns zwar gut, aber wir passen nicht so gut und so flaterhaft, wie wir sind, werden wir wahrscheinlich nicht immer zusammen sein. Ähh, sorry.<< Dann schwiegen sie eine Weile. Als er sein Eis aufgegessen hatte, schlug Nella vor, sich auf eine Bank zu setzen. Vidar stimmte zu.
>>Vidar<<, fragte Nella schließlich, >>warum denkst du nicht, dass wir zusammen bleiben werden?<<
>>Ich hab die Gründe doch schon gesagt. Wir sind sehr flatterhaft und passen nicht so gut. Verstehen tun wir uns natürlich schon gut.<<
Natürlich! Das stimmt ja auch. Aber warum muss er das sagen?, fragte sich Nella.
>>Da! Da sind Shun und Mitsuwaschi!<<, rief Vidar plötzlich.
>>Sollen wir sie beschatten oder fragen, was es mit dem Mysterium auf sich hat?<<
>>Sie beschatten natürlich! Du weißt doch, wie gefährlich Watakuto ist!<<
>>Stimmt! Sie ist bestimmt eine Mörderin und mit Carla verbündet!<<
Also versteckten sich Nella und Vidar hinter einem Busch und beschatteten Shun und Mitsuko.
>>Wenn ich könnte, wäre ich früher von meinen Eltern weggezogen. Dann wäre das nicht passiert<<, hörten sie Mitsuko sagen.
Shun antwortete darauf: >>Ich weiß. Aber du durftest ja nicht.<<
Mitsuko fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Da ihre Hand erst zu ihren Haaren gelangen musste und so ihr Gesicht verdeckte, konnte Nella nicht erkennen, ob sie weinte. Ihre Haare waren übrigens schwarz, kurz und glatt und seitlich gescheitelt. >>Warum trifft dieses Schicksal uns?<<, seufzte sie. Leiser fuhr sie fort: >>Um uns das Leben zu erleichtern, wäre ich sogar bereit, meins aufzugeben.<<
>>Warte damit noch. In Japan gibt es die höchste Selbstmordrate, aber du tust es trotzdem nicht. Außerdem sind wir Japaner in Deutschland.<< Shun richtete seinen Blick in das leere Nichts.
>>Ich weiß was! Wir werden Nonne und Mönch!<<
>>Aber... nein. Ich bleibe Shinto. Außerdem ist das keine gute Option. Da würde ich schon lieber... Das Leben ist so hart.<<
>>Stimmt. Ich werde auch keine Nonne.<<
>>Ich würde zu gerne alles rückgängig machen, einen absoluten Neuanfang starten, mein Leben noch mal leben... Aber aufpassen, dass ich nicht zu viel in der Öffentlichkeit herumlaufe, und allen Japanern so weit es geht aus dem Weg gehen.<<
>>Ich würde auch gerne einen Neuanfang machen. Dann würde ich alle meine Fehler korrigieren und... Das was dich betrifft.<<
>>Wir haben so ein Pech. Zu großes Pech. Ich kann dich nicht mal lieben. Das wäre auch nur zu schön.<<
>>Nur zu schön. Du sagst die Wahrheit.<<
Um die beiden weiterhin gut hören zu können, verfolgten Nella und Vidar sie hinter den Büschen. Sie konnten inzwischen sehen, dass Mitsuko tatsächlich weinte. Was für ein harter Schlag des Schicksals musste sie wohl getroffen haben? Die beiden hatten es wirklich nicht leicht.
>>Valeska hatte Pech. Aber sie weiß nicht, dass wir noch viel größeres Pech haben. Echt, es lohnt sich einfach nicht, weiter in sie verknallt zu sein. Ich weiß ja, was kommt. Und da... gebe ich lieber einfach alles auf<<, murmelte Shun.
>>Ich kann Valeska verstehen, aber sie tut mir nicht leid... Im Gegensatz zu uns. Ich will nicht im Selbstmitleid baden, es ist aber wahr.<< Mitsuko fuhr sich über die Augen.
>>Ehrlich, ich habe das Gefühl, dass uns jemand sieht... oder hört. Aber das ist mir egal, sollen sie uns doch sehen. Wir stehen eh schon lange nicht mehr gut da, und cool schon gar nicht.<<
>>Ich habe auch das Gefühl, beobachtet zu werden. Vielleicht sogar nicht nur von einem Menschen.<<
>>Ist doch egal, wie viele es sind. Wahrscheinlich ist es die ganze Stadt.<<
>>Ich kann mir eher vorstellen, dass es sich um... Nella handelt. Von der hast du mir ja erzählt. Die ist dumm, unverständig und neugierig... zu neugierig.<<
>>Du hast Recht, Mitsuko. Es kann gut sein, dass Nella hinter einem der Büsche oder Bäume ist. Aber das kümmert mich nicht mehr.<<
Vorsichtshalber ging Nella in die Hocke. Vidar folgte ihrem Beispiel. Shun und Mitsuko sahen aber nicht nach, ob sie wirklich da waren.
>>Lass uns aufhören, sie weiter zu beobachten. Bei denen kommt eh nichts mehr raus<<, flüsterte Nella. >>Lass uns jetzt lieber essen. Es ist eh Mittagszeit.<<
Nella und Vidar gingen zum Essen, doch Shun und Mitsuko führten ihr trauriges Gespräch weiter.
Mitsuko starrte auf ihre Füße. >>Ach Mitsuko, in was für einen Schlamassel hast du dich da hineinmanövriert?<<
>>Nicht du, deine Eltern<<, sagte Shun leise.
>>Ja. Unsere Eltern. Wenn die nicht gewesen wären... Dann hätten wir eine Zukunft.<<
>>Deine Eltern wissen ja noch nicht einmal, dass ich erst 15 Jahre alt bin! Und meine Eltern wissen auch längst nicht mehr, wie alt ich bin, und denken, ich wäre schon 19 oder sowas.<<
>>Unsere Eltern. Wenn sie anders denken würden, würden sie Enkel haben.<<
Plötzlich fragte Shun: >>Brauchst du Geld?<<
>>Nein. Brauchst du welches?<<, fragte Mitsuko zurück.
>>Überhaupt nicht. Ich will meins loswerden. Ich brauch's nicht mehr.<<
>>Es gehört ja auch uns beiden.<<
>>Ich werde mich nie daran gewöhnen. Warum, warum, warum, bist du nur Mitsuko,
watashi no shōrai no tsuma? Womit haben wir das verdient?<<
>>Wir haben nichts getan. Es ist so gekommen und wir können es nicht mehr ändern.<<
>>Ich würde gerne alles ändern, alles, alles, die ganze Welt am liebsten. Aber ich weiß, dass es sich nicht lohnt. Und alleine kann ich nichts verändern, nicht einmal mit dir. Wir zwei können nichts unternehmen, die Veränderung müsste einfach vom Himmel fallen.<<
>>In drei Wörtern: Wir sind machtlos.<<
>>Nella und ihr Vidar wissen nicht, wie ernst die Lage ist. Ich gebe es nicht gerne zu, aber die beiden sind einfach - dumm!<<
>>Ja, Nella und ihr Vidar sind dumm. Und du bist mein Shun, aber ich will es nicht.<<
Shun und Mitsuko verschwanden leise weiterredend und völlig machtlos in den schwülen Sommernebel, der um einen kleinen Teich herumwaberte. Der Abend siegte gerade über den Tag und ein frischer Wind kühlte die flimmernde Luft ab. Ein Kirschblütenbaum verlor über ihnen seine weißen und puderrosa Blüten. Man hätte denken können, dass sie ein junges Paar in Japan wären, aber der Schein trog. Sie waren 2 unglückliche japanischstämmige Jugendliche in Deutschland, denen das Schicksal übel mitspielte und die sich ohne die Hilfe eines Wunder-Rettungsreifens nicht mehr aus dem Meer der Hoffnungslosigkeit retten konnten.

Der Nachmittag war für Nella und Vidar schnell vergangen und kurz darauf hatten sie auch schon das Abendessen hinter sich. Nach dem Abendessen schlenderten sie langsam in den Gemeinschaftsraum und schnappten sich ein paar Barhocker vor der Bühne.
>>Welche Band singt jetzt?<<, fragte Nella Vidar, der sich damit besser auskannte.
>>>White Shadows<, da ist Shun drin<<, sagte Vidar.
Die Band >White Shadows< betrat die Bühne. Sie bestand aus Bela, Bubi, Stephan und Shun. Bela und Bubi plusterten sich beim Betreten der Bühne groß auf und machten obercoole Posen. Stephan plusterte sich nicht auf, aber seine Posen waren nicht weniger obercool. Shun machte gar keine Posen, blickte nicht ins Publikum, sondern ins Leere, ließ die Arme und den Kopf hängen, bemühte sich nicht, seinen schlaffen, gekrümmten Rücken aufzurichten und schien nicht dazuzugehören.
Zuerst machte Bela ein langweiliges Solo und log über lächerliche Fake-Affären mit Rhiannon und Streite mit Lebron, dann stimmte Bubi mit dem Thema Liebe allgemein mit ein und spielte schließlich auch den Solisten. Er schwadronierte über seine langweiligen Beziehungen und Krisen mit Ling, Hope und Midori. Das meiste davon, was er sang, war nur halb wahr. Schließlich übernahm Stephan, der etwas besser, aber nicht weniger langweilig sang und bei dem es nur um Roxana ging. Dann war Shun dran. Sein Teil war der kürzeste, aber auch der glaubwürdigste. Seine Stimme war sehr leise. Daher machte das Mikrofon die Lautstärke. Trotzdem waren die anderen viel lauter gewesen. Sein Teil war allerdings halbwegs auf japanisch und der deutsche oder englische Teil mit gespieltem japanischem Akzent, den er aber nur vortäuschte, damit ihn keiner außer Mitsuko verstehen konnte. In seinem Lied ging es nämlich um Mitsuko. Die anderen hatten jeweils 10 Minuten für ihren Teil gebraucht, er lediglich 3. Sein Teil war der intensivste, trotz Mangel an Wiederholungen und langgezogenen Vokalen.
Als er die Bühne als Letzter mit hängendem Kopf und abwesendem, sogar ein bisschen verstörtem Blick verließ, kamen Nella und Vidar gemeinsam zu ihm und beglückwünschten ihn.
>>Du warst besser als die anderen, aber Vidar wird natürlich immer am Besten sein<<, sagte Nella und lächelte.
>>Ich hoffe, das wirst du immer so sehen<<, murmelte Shun. >>Ich werde bald keine Zeit dafür haben, dich in deiner Liebe zu beraten... ich werde viel Zeit haben, aber keine für dich. Für... Das willst du gar nicht wissen.<<
>>Für Mitsuko, das weiß ich. Aber vielleicht werdet ihr ja doch noch glücklich<<, sagte Nella.
>>Ja, für Mitsuko. Mitsuko,
watashi no shōrai no tsuma. Auf Nimmerwiedersehen.<<
>>Bye... Oder, wenn du so willst: Auf Nimmerwiedersehen, Shun.<<

Dienstag, 7. Januar 2025

6: Zu spät

Schon frühmorgens hörte Nella den Lärm der Disko. Diesmal hatte sie aber ungewöhnlich früh angefangen! Na ja, das war ja nicht schlecht.
Nella machte sich schnell fertig und lief in den Gemeinschaftsraum. Sie bemerkte, dass Malwin Eka mied und sich sehr viel mit Iracema herumtrieb.
Ich verstehe. Er nutzt den Streit mit mir als Vorwand, um nichts mit Eka machen zu müssen, dachte Nella. Sie lief in Richtung Cocktailbar. Dort standen jetzt auch Malwin und Iracema.
Nella tat so, als würde sie die beiden nicht beachten, behielt sie aber insgeheim im Auge.
>>Wir merken, dass du uns beobachtest. Du bist keine gute Detektivin<<, sagte Malwin.
>>Ich bin keine Detektivin. Ich bin eine wütende Beobachterin, die euch ausspioniert, weil sie ihre arme Freundin Eka nicht im Stich lassen will.<<
>>Ja, du verhältst dich wirklich nicht sehr detektivisch. Eher ungeschickt.<< Malwin stützte sich an die Vitrine.
>>Auch wenn du nicht singst, ist deine Stimme schrecklich. Es gibt kein Bandmitglied, das schlechter singen kann als du.<<
>>Ach ja? Ich kenne da eins, das gar keins ist. Und deren angeblich von einem schlimmen Verbrecher misshandelte Freundin kann auch nicht besser singen.<<
>>Du meinst Eka. Eka kann sehr gut singen.<<
>>Ich finde ihr Gesumm schrecklich. Ich finde übrigens ebenfalls das Larifari-Gesumm von einem gewissen Bandmitglied von einem Verbrecher auch schrecklich.<<
>>Ich nicht. Es ist jedenfalls viel besser als das von einem gewissen Verbrecher selbst.<<
>>Schluss mit den Anspielungen. Der Verbrecher findet das nicht mehr lustig.<<
>>Vidars Larifari-Gesumm ähnelt dem Gesumm einer sterbenden Biene<<, funkte Iracema dazwischen.
>>Die arme Biene! Ich mag es nicht, wenn Lebewesen sterben! Ihr seid Tierquäler!<< Nella ballte die Fäuste.
Malwin zog seine dicke Jacke aus und ein Pullover aus echtem Nerzfell kam zum Vorschein. Er grinste und sagte: >>Na, was sagst du dazu?<<
Nella klappte die Kinnlade herunter. >>Waaas?!!! Das geht nicht!!!<<, kreischte sie so laut, dass ihm das Cocktailglas aus der Hand fiel und zerbrach und der Cocktail auslief. >>Ey! Das ist gemein! Jetzt hab ich meinen schönen Pelz beckleckert! Das wirst du mir bezahlen!<<, rief Malwin und stand auf, um sich breitbeinig vor Nella aufzubauen.
Nella sprang auf ihn zu und nahm ihm den Pelzpullover weg.
>>He! Was willst du mit meinem teuren Pelz?! Erst behauptest du, total umweltfreundlich zu sein, und dann  willst du selber Gewinn mit meinem Pelz machen!<<, regte sich Malwin auf.
>>Das hab ich nicht vor! Aber du darfst den Pelz nicht behalten! Tiere sind dafür gestorben und jetzt hast du sogar ihr Fell beckleckert!<<, schrie Nella.
>>Ich werd' gleich handgreiflich, wenn du so weiter machst! Gib mir meinen Pelz sofort zurück, sonst wirst du's bereuen!<< Malwin krempelte sich die Ärmel hoch und wollte ihr den Pelz aus der Hand reißen.
Nella schlug nach ihm, doch Malwin wich geschickt aus. Inzwischen hatte er sich den Pelz geschnappt.
>>Gib den Pelz her oder ich werd' handgreiflich!<<, warnte sie.
>>Das wage ich zu bezweifeln; du siehst nicht fähig aus.<< Und Malwin warf Iracema, die sich inzwischen entfernt hatte, den Pelz zu. Die rannte mit ihm auf ihr Zimmer und versteckte ihn.
>>Ich bin der Champion, du der Loser. Ergib dich!<<, forderte Malwin übermächtig.
Nella ballte die Hände zu Fäusten und verengte ihre Augen zu Schlitzen. >>Niemals! Ich werde mich nicht ergeben! Ist es Ergeben, wenn ich wegrenne?<<
Malwin lachte gehässig. >>Ergeben ist es nicht richtig, aber es ist sehr feige!<<
>>Selber feige! Aber noch mehr >Feige< ist eine Ohr-Feige!<< Nella ohrfeigte Malwin und lief davon.
Malwin lachte erneut. >>Als ob mir diese feige Ohrfeige wehtun würde...<< Er schnippte mit dem Finger. >>Los-los-los! Kehrt den Cocktail-Schlamassel zusammen! Ich hab den nicht verursacht, ich bin nicht schuld... Los-los-los! Dallidalli!<<, ordnete er an.
Eka, An, Valeska und Iracema stürzten sich mit einer Küchenrolle, Lappen und einem Eimer auf die Cocktail-Pfütze.
Malwin packte Iracema am Arm und zerrte sie hoch. >>Diese Arbeit ist deiner nicht würdig! Das sollen schön die anderen machen!<<
>>Ja, das sollen schön die anderen machen, die sowieso nie eine Chance bei dir haben werden... Ich hab mich ja von Anfang an nicht wohl bei der Sache gefühlt. Aber du hast mich von dieser Last befreit, mal wieder. Aber wir müssen gar nicht zuschauen, wie die das putzen... Lass uns doch einfach abhauen, Malwie<<, sagte sie.
>>Aber es macht doch Spaß, ihnen zuzugucken, wie sie putzen. Des einen Leid ist des anderen Freud<<, gab Malwin zu bedenken. Er setzte sich wieder auf einen Barhocker und versuchte, Iracema neben sich zu quetschen.
Valeska warf den Lappen auf den Boden. >>Das ist unfair! Während ihr Täter euch da auf einem Barhocker kuschelt, müssen wir das hier wegwischen! Und ich mach' das auch nur wegen An! Wenn es nach mir ginge, würde ich nicht eure Scherben, sondern euch wegwischen! Malwin, ich werde nie dich lieben, sondern immer...<< Sie hielt kurz inne und sah sich um, >>... Shun.<<
Shun, der gehört hatte, dass sein Name gefallen war, drehte sich nach ihnen um. >>Schade, dass ich das nicht früher wissen konnte. Denn jetzt bin ich nicht mehr in dich, Valeska. Es ist zu spät.<<
>>Warum? Shun...<< Valeska schlug die Augen nieder.
Shun richtete seinen Blick auf Valeska. >>Warum? Ich weiß es auch nicht ganz genau. Vielleicht, weil es dann alle wussten... Durch diese Nnnella. Ich hätte ihr nie vertrauen dürfen. Es war ein großer Fehler, dass ich es ihr verraten habe. Aber es gibt auch andere Gründe...<<
>>Welche? Persönliche Gründe? Ich weiß, es ist nicht gut, dass ich spätabends noch Kekse nasche, aber das ist ja wohl eher nebensächlich...<< Valeska erhob sich.
>>Nein, davon wusste ich nie etwas. Nella hat es mir mal erzählt, aber ich hab's mir nicht gemerkt. Die Gründe... brauchst du nicht zu wissen. Sie würden dich auch nicht interessieren... Denn sie haben nichts mit dir zu tun. Es liegt nicht an deinem Wesen, es sind ganz andere, ernste. Mein Leben ist sowieso viel ernster, als ihr euch vorstellen könnt. Es sind aussichtslose Gründe, die einen dazu bringen, alle Hoffnung aufzugeben.<< Er sah sich nach etwas um.
Valeska war bei den Gedanken bei Nella geblieben. >>Für immer verflucht soll diese Nella sein! Sie hat alles verbaselt!<<, zischte sie.
Shun hatte sie verstanden. >>Nicht nur Nella, nein, wirklich nicht nur sie... Auch... Mitsuko. Aber von ihr wisst ihr nichts, ihr kennt sie nicht, und ihr braucht auch nichts von ihr zu wissen. Ich hätte am liebsten auch nie von ihr gewusst, aber jetzt weiß ich von ihr, weil sie und andere von mir wussten... Es ist extrem kompliziert.<<
>>Liebst du Mitsuko?<<
>>Nein... nein. Es wäre vielleicht besser, wenn ich es könnte, aber... Nein.<<
>>Mi-tsu-ko<<, murmelte Valeska.
>>Ja, Mitsuko. Ein japanischer Name. Sie kommt auch aus Japan... Wie ich. Das ist das Problem. Und natürlich sind ihre Eltern auch Japaner, das ist ja klar, und für mich ist es das größte Problem. Aber Mitsuko interessiert euch nicht.<< Shun wandte sich um und ging seines Weges, während er wieder in seine Welt versank, die sehr schwer zu begreifen war und in der sich alles um Mitsuko, Mitsukos japanische Eltern, Valeska und Nella drehte.
Valeska sah ihm nach. >>Komm, An. Lass uns nicht mehr diese schrottige, sinnlose Arbeit weiterführen. Ich kann Shun verstehen, aber ich muss verkraften, was er über Nella, mich und Mitsuko gesagt hat<<, sagte sie dann, ohne An anzuschauen. Die beiden verließen den Raum.
Inzwischen hatte sich Nella zu ihnen gesellt und alles mitgehört. Ihr blieb die Sprache weg vor Staunen.
Eka folgte Valeska und An, um ihnen, wenn nötig, zu helfen oder beizustehen.
Malwin lachte laut auf. >>Das ist ja lächerlich, was ihr da besprochen habt. Vielen Dank, dass ich kostenlos zu eurer Theaterprobe mitdurfte. Es ist aber weniger nett, dass ihr euch einfach so aus dem Staub gemacht habt, ihr Feiglinge.<< Er trat nach dem Eimer, sodass er auslief.
Iracema brach in hämisches, helles Gelächter aus. >>Geschieht denen Recht, so wie die sich aufführen. Shun ist allerdings weit davon entfernt, einmal ein großer Schauspieler zu werden.<<
>>Und Mitsuko erst recht nicht. Ich kenn' die nicht.<<
Die beiden gingen lachend und lästernd in Richtung Bühne.
>>Mitsuko... Ich muss Shun unbedingt fragen, was es mit dieser Mitsuko auf sich hat!<< Nella wollte Shun hinterherrennen, doch sie glitt auf der Pfütze aus und fiel auf die Glasscherben, die noch herumlagen. >>Aua!<<, schrie sie schrill. Nellas Gesicht krampfte sich zusammen und sie bekam nicht mehr alles mit, weil der Schmerz so groß war. Bruchlandung. Ich hab mir bestimmt eine Bänderdehnung geholt und Kratzer im Rücken, dachte sie. Nella versuchte, sich hinzusetzen, aber die Glasscherben in ihrem Rücken pieksten so doll, dass sie nicht aufstehen konnte. Nella schloss die Augen. Undeutlich merkte sie, wie jemand ihr aufhalf, ihre Arme um seine Schultern hängte und sie wegschleppte. Da sie auch mit dem Kopf auf dem Boden aufgekommen war, war sie schon halb ohnmächtig und ziemlich benebelt. Trotzdem schaffte sie es noch gerade so, ein knappes >>Wer bist du?<< herauszupressen, bevor sie es mit der Ohnmacht zu tun bekam. Sie hörte noch, wie der Mensch >>Vidar<< antwortete, dann verlor sie ihr Bewusstsein.

Als sie Stunden später wieder aufwachte, fand sie sich in der Notaufnahme wieder. Nach ein paar Einfällen und ein paar Schilderungen wusste sie bescheid.

Am nächsten Tag wurde sie mit dem Wissen, tatsächlich eine Bänderdehnung zu haben, wieder entlassen.
In der Diskothek musste sie erst mal allen außer Vidar ihre Geschichte erzählen, denn er kannte sie.
>>Ich hole Vidar und lasse mir von ihm alle Details erzählen<<, benachrichtigte Amy sie.
Kurz darauf kam sie mit ihm wieder. >>Also, Vidar. Hast du noch etwas zu ergänzen?<<
>>Eigentlich nicht. Ah, doch: Eine Frage. Nella, was ist passiert?<<
>>Ich wollte Shun hinterherlaufen und bin in eine Pfütze mit Scherben gefallen<<, erzählte Nella.
>>Warum bist du Shun hintergelaufen?<<, wollte Amy wissen.
>>Ich wollte ihn was fragen.<<
>>Aha! Ob er dir verziehen hat, nhe?<<
>>Ich hol' ihn.<<
>>Aber ich will ja kein Paparazzo sein und deswegen gehe ich jetzt weg.<<
Nella holte Shun.
>>Was willst du von mir?<<, fragte er.
>>Ich will mich bei dir entschuldigen und wer ist Mitsuko?<<
>>Mitsuko... Mitsuko,
watashi no shōrai no tsuma... Leider. Ich habe viel zu viel erzählt, ihr hättet alle besser nie von ihr erfahren sollen. Jetzt wollt ihr alle wissen, wer sie ist und was es mit ihr auf sich hat. Mitsuko ist watashi no shōrai no tsuma. Nicht mehr und nicht weniger.<<
>>Was ist dieses Wataschi Nono Schoraizoma?<<
>>Mitsuko.<<
>>Mitsuko ist sehr rätselhaft. Aber wer ist sie?!<<
>>
Watashi no shōrai no tsuma.<<
>>Das hätte ich wissen müssen. Natürlich ist sie Wataschi.<<
>>Leider.<<
>>Ehrlich, ich verstehe nicht, worum es geht.<<
>>Das sollst du am besten auch gar nicht.<<
>>Wirklich, Mitsuko ist sehr rätselhaft. Und ihr Wataschi Nono auch.<<
>>Für mich nicht mehr. Meine Zukunft ist auch nicht mehr rätselhaft. Ich weiß, was passieren wird, in- und auswendig. Mitsuko wird >Wataschi Nono Schoraizoma< sein und spannender wird mein Leben nicht sein.<<
>>Das macht mich sehr neugierig. Ist Mitsuko eine Hellseherin?<<
>>Nein, das wäre ja noch einigermaßen aufregend. Nein... Nein, nein.<<
>>Mitsuko, Mitsuko. Mitsuko Wataschi Nono.<<
>>Hör auf mit deinem Wataschinono. Es heißt
watashi no shōrai no tsuma.<<
>>Ähh... Ja. Dann ist es jetzt wahrscheinlich besser, wenn wir nicht mehr über Mitsuko reden, nhe?<<
>>Ja. Du kannst jetzt gern jedes mögliche Thema vorschlagen, über das wir reden können, das nicht Mitsuko ist, denn meine Zukunft wird mir reichlich Gelegenheit bieten, viel mit Mitsuko zu tun zu haben. Allerdings habe das nicht ich entschieden, und Mitsuko auch nicht.<<
>>Okay. Sorry, dass ich die Sache mit Valeska weitererzählt hab... Echt, tut mir leid.<<
>>Ist schon gut.<<
>>Okay, bye.<<
>>Bye.<< Shun ging. Und wieder war Nella allein... Nein: Und Vidar war Nella allein. Ja, so. Denn Vidar war ja auch noch da.
>>Was ist jetzt dieses Schoraizonononirwana?<<, fragte Vidar, der zugehört hatte.
>>Ich weiß auch nicht. Mitsuko hat irgendwas damit zu tun<<, sagte Nella.
>>Ach so, Mitsuko heißt die. Ich dachte schon Watascho.<<
>>Ich glaube, es ging so: Wataschinoschorainozuma.<<
>>So? Wataschi Nono Schoraizumano?<<
>>Ach, ich weiß auch nicht. So was in der Art.<<
>>Ich fand Shun schon immer bisschen merkwürdig. Und langsam hab ich das Gefühl, dass er gaga ist... Nicht ganz klar im Kopf, verstehst du?<<
>>Kann sein. Ich fand ihn früher auch ein bisschen netter...<<
>>Er ist nicht dafür bekannt, nett zu sein. Und cool zu sein auch nicht. Eher dafür, ein Pechvogel zu sein.<<
>>Das mit dem Pechvogel seh' ich anders.<<
>>Ja okay, ich kenne ihn ja auch nicht richtig...<<
>>Kennst du denn Mitsuko?<<
>>Überhaupt nicht. Wie heißt sie gleich? Watascho... äääh, ich meine Mitsuko. Ja, genau. Am besten kenne ich von denen noch Carla, wegen der Sache mit der Erpressung, die Amy bekanntgemacht hat. Das fand ich auch schon so komisch. Shun ist halt komisch.<<
>>Ich finde, Carla ist dadurch gar nicht cooler geworden, dass sie mit Shun zusammen war.<<
>>Nee, echt nicht. Wer ist auch schon cool, der mit so einem wie diesem Shun zusammen ist?<<
>>Ich finde Carla an sich schon sehr uncool.<<
>>Na ja, so uncool ist sie gar nicht mal... Also der Charakter natürlich schon, aber das Aussehen, das geht. Die braunen Haare mit den grünen Augen, die Kombi ist schon cool.<<
>>Ja, stimmt...<<
>>Solche mit so dunklen Haaren sind von Natur aus mein Typ. Ich fand die schon immer cooler als die Blonden.<<
>>Ah, ich bin ja beides nicht...<<
>>Was ist das eigentlich für 'ne Haarfarbe, die du hast? Die kann ich immer so schlecht zuordnen... Ich weiß dann nicht, ob das Blond sein soll oder Braun oder Rot...<<
>>Hellbraun. Flohfarben.<<
>>Aha. Rhiannon und Hope haben ja immer sowas ähnliches, aber Hope hat dann ja noch diese pinken Strähnen... Oder waren's jetzt Spitzen? Keine Ahnung. Jedenfalls find' ich die beiden echt übertrieben.<<
>>Ich hasse Rhiannon. Und Hope finde ich auch nicht besser.<<
>>Ich mag Bela und Iracema auch nicht. Bela ist ja der Freund von Rhiannon und Iracema ist ihre Freundin.<<
>>Ja, und Malwin ist der allerschlimmste von ihnen... Der ist ja Iracemas Freund.<<
>>Inzwischen nicht mehr. Die haben sich gestritten. Das ging blitzschnell. Das war so: Iracema wollte irgendwann plötzlich auch noch was von Bubi und Malwin ist ausgerastet. Dann hat er Bubi herausgefordert und sie haben gekämpft. Iracema war dann ganz sauer auf Malwin und wollte Bubi verteidigen. Aber Malwin hat sie brutal niedergedrückt und ist auf ihr herumgestampft, bis sie ohnmächtig wurde. Jetzt liegt sie im Krankenhaus und man schaut, ob sie noch lebt. Und Malwin ist in Bubis Zimmer eingedrungen und beschädigt da alle Sachen. Ich hab aber den Verdacht, dass er da drin tobt und nicht rauskommt, weil alle jetzt den Skandal wissen und ihm das peinlich ist.<<
>>Stimmt, das ist ein richtiger Skandal. Übrigens ist Bubi mein Cousin.<<
>>Oha! Ohaaa! Bubi ist übrigens seit heute so gar nicht mehr in Ling und es sieht total danach aus, dass er mit Hope zusammen ist.<<
>>Ich mag Bubi nicht. Wir streiten uns immer.<<
>>Ling scheint übrigens sehr recht zu sein, dass er jetzt mit Hope ist, weil sie jetzt endlich raus aus der Sache ist und nichts mehr damit zu tun hat. Sie weiß nämlich noch gar nichts von dem Thema und ist im Kopf noch gar nicht mal so weit. Sie will nur mit Ahuva befreundet sein und das reicht ihr auch schon. Dumm.<<
>>Ahuva ist auch dumm. Und die Lieder von den beiden sind auch dumm.<<
>>Ja, ehrlich! Ahuva war schon mit ganz vielen zusammen, aber sie haben sich immer auch wieder ganz schnell gestritten, weil sie die ganzen Jungs nicht mehr ausstehen kann, sobald sie mal mit ihnen ist. Aber sie will immer noch mit welchen zusammen sein und begreift das nicht, dass sie ihr sowieso alle nicht recht werden können und trinkt da in aller Seelenruhe ihre Cola...<<
>>Echt, diese Cola tut ihr nicht gut. Sie muss mal aufhören!<<
>>Ja, aber sie ist schon richtig abhängig.<<
>>Wie oft muss sie eigentlich zum Zahnarzt gehen, damit ihre Zähne weiß bleiben?<<
>>Gar keine Ahnung! Dieser Bela ist übrigens wie Ahuva, der war auch schon mit tausenden zusammen! Inci war da nicht die erste, echt nicht. Und Rhiannon wird nicht die letzte sein. Rhiannon ist übrigens gar nicht in Bela, weil sie trifft sich auf noch ganz oft mit Lebron und manchmal küssen sich die beiden dann auch noch. Er küsst übrigens immer nur sie, sie küsst ihn nie. Und Bela küsst sie auch nicht. Der küsst sie neulich auch.<<
>>Ja, hab ich auch bemerkt.<<
>>Ich finde das aber uninteressant, was sie macht.<<
>>Ich auch.<<
>>In wen ist sie eigentlich in Wirklichkeit? Weißt du das?<<
>>In keinen.<<
>>Aha. Kann ich mir auch vorstellen.<<
>>Bist du in wen?<<
>>Ja. Christabel. Die ist in Stanisław.<<
>>Echt? Immer noch?<<
>>Sicher. Also... Warum nicht? Und du?<<
>>Ich bin in keinen. Es ist auch keiner in mich.<<
>>Shun könnte doch in dich sein. In diese Mitsuko scheint er ja nicht zu sein und von Valeska will er auch nichts mehr.<<
>>Ich hab das Gefühl, Shun ist dazu nicht fähig. Das geht einfach nicht.<<
>>Dann liste ich jetzt noch mal alle Jungs auf, vielleicht fällt dir dann einer ein, der in dich sein könnte oder in den du sein könntest. Also: Es gibt natürlich mich, Vidar, Stanisław, der mit Gül ist, Malwin, Bubi, der mit Hope ist, Bela, der in Rhiannon ist, Thilo, der mit Ora-Magnolia ist, Klaus, Lebron, der mit Venus ist und Rhiannon mag, Shun natürlich, Arvo, der mit Charlotte ist, Bert, der mit Laurina ist, Erik, der mit Natalie ist, Emil, Magnus, Waldo, Stephan, der Roxana mag und dann sicher noch irgendwelche anderen, die ich nicht mehr kenne.<<
>>Ich kenne auch nicht mehr.<<
>>Dann schließ doch schon mal die Jungs aus, in die du auf keinen Fall sein könntest.<<
>>Okay. Also. Shun, Stanisław, Malwin, Bubi, Bela, Thilo, Lebron, Arvo, Stephan und Bert. Und dann kann ich's mir auch noch nicht so gut mit Magnus und Erik vorstellen.<<
>>Es bleiben also noch die übrig: Waldo, Emil, Klaus... Und ich.<<
>>Hm... Waldo... Emil... Klaus... Ich weiß doch nicht...<<
>>Und was ist mit mir? Weißt du auch nicht recht?<< Vidars Augen blitzten.
>>Ja, ich weiß nicht recht...<<
>>Wer ist der beste von den 4?<<
>>Also Waldo, Emil und Klaus auf keinen Fall.<<
>>Da bleibt noch einer übrig. Weißt du auch, wer?<<
>>Öh... Nö.<<
>>Doch.<<
>>Na gut, ja.<<
>>Das tut mir sehr leid.<< Plötzlich begann er zu winken. Nella sah, wem er zuwinkte. Christabel. Die verzog keine Miene und ging weiter. >>Mir nicht. Stanisław ist eh besser<<, sagte sie kühl.
>>Gift und Dolch! Christabel! Seit wann spielst du verrückt?!<< Vidar sprang auf, rannte los und rempelte sie an.
Christabel ließ sich absichtlich auf den Boden fallen.
Vidar setzte sich auf sie und schlug mit seinem Handy nach ihr. Während er ausholte, kullerte Christabel über den Boden, rammte ihm den Ellbogen ins Gesicht und befreite sich aus seinem Griff. Sie trat ihn in den Bauch und machte sich aus dem Staub.
Vidar blieb schmerzverzerrt liegen. Irgendwann erschlaffte sein Körper und er war wie leblos.
Nella traute sich aus ihrem Versteck und pirschte sich auf leisen Sohlen an ihn heran. Falls er ohnmächtig war, würde sie es sogar auf sich nehmen, ihn zu beatmen. Sie testete, ob sein Herz noch schlug. Oh nein! Nein! Oder...? ... Doch! Aber es konnte jeden Moment aufhören. Trotzdem wunderte sich Nella, warum er sich so schlecht von der kleinen Prügelei erholte. Und außerdem hatte er doch gewusst, dass Christabel in Stanisław war! Aber warum spielte er sich dann so auf? Nella dachte, dass die Hoffnung vielleicht manchmal einfach zu groß war und manche Leute sahen außerdem auch immer einfach nur das, was sie auch sehen wollten. Trotzdem, jetzt musste sie schnell handeln. Nach einiger Überwindung beugte sich Nella über ihn und beatmete Vidar. Als er zu sich kam, wollte er sofort lossprinten und schrie sie an: >>Wo ist Christabel?!<<, doch Nella hielt ihn zurück. >>Christabel ist über alle Berge! Warum bist du sofort ohnmächtig geworden?!<<, sagte Nella halb vorwurfsvoll, halb besorgt.
Vidar sah verwirrt aus. >>Äh.. weiß nicht. Irgendwann war ihr Ellbogen mitten in meinem Gehirn und dann war es schwarz und jetzt bin ich hier. Das weiß ich.<<
>>Ihr Ellbogen war ganz sicher nicht in deinem Gehirn! Sie hat ihn dir nur in die Stirn gerammt. Warum hat sie das getan?<<
>>Sie hat sich halt gegen mich gewehrt!<<
>>Stimmt. Hatte sie ja nötig. Und warum hast du sie angerempelt?<<
>>Argh! Kannst du dir das nicht denken? Ist dein Gehirn eigentlich hohler als meins? Warum hab ich sie wohl angerempelt? Warum?!<<
Nella verstand nichts mehr. Sie zuckte mit den Achseln.
>>Weißt du denn gar nicht, was sie gesagt hat? Wie dumm bist du eigentlich?!<<
>>Ich bin nicht dumm! Sie hat halt gesagt, dass es ihr nicht leid tut und dass Stanisław eh besser ist. Mehr nicht. Den Rest hat sie nur geprügelt, nicht geredet.<<
>>Ich dachte, ihr Mädchen seid voll sensibel und habt ganz oft geweint, als ihr noch kleiner wart! Aber ihr könnt anscheinend gar keine Emotionen haben und euch nicht mal in Sachen hineinversetzen! Du... <<
>>Äh... Ich kann sehr wohl Emotionen haben.<<
>>Dann kannst du dir vielleicht auch denken, warum ich ausgerastet bin, als sie das gesagt hat?! Boah...<<
>>Na ja... Nur so halbwegs. Ich hab mal im Internet gelesen, dass Jungs und Männer durchdrehen, wenn weibliche Menschen, in die sie verknallt sind, ihnen sagen, dass andere besser sind oder so. Und?<<
>>Aha. Im Internet gelesen. Und glaubst du, dass das vielleicht stimmt, oder dass das nur Quark ist?<<
>>Äh... Kann ich mir beides vorstellen.<<
>>Es ist KEIN Quark, du.<<
>>Ah. Okay. Dann kann ich verstehen, warum du ausgerastet bist.<<
>>In welche Richtung ist Christabel gelaufen?<<
>>Äh... In die da.<< Nella zeigte mit dem Finger nach links.
>>Wie schnell war sie?<<
>>Ziemlich schnell. Aber wahrscheinlich kannst du sie einholen, wovon ich dir übrigens abraten würde.<<
>>Ich mach's trotzdem.<< Vidar rannte los, aber er stolperte über einen Ziegelstein und fiel hin.
>>Alles gut?<<, fragte Nella.
>>Ja, klar. War viel schlimmer, als der Ellbogen in meinem Gehirn war... Sorry, in meinem Kopf.<<
>>Stirn. Aber egal. Willst du Christabel immer noch hinterherlaufen?<<
>>Ja.<<
>>Du bist echt nicht so... intelligent.<<
>>Nein. Das stört die meisten aber nicht.<<
>>Mich schon. Hättest du etwas mehr Grips, müsste ich dir auch nicht mehr abraten, Christabel zu verfolgen.<<
>>Was ist denn falsch daran, wenn ich sie weiter verfolgen will?<<
>>Sehr viel. Aber wenn du unbedingt willst, kannst du ja noch eine gehirnschädliche Prügelei riskieren.<<
>>Na gut, dann eben nicht. Du fändest ja richtig schlecht, wenn Christabel mich nochmal haut und ich mein Restchen Grips auch noch verliere.<<
>>Ich geh mal rein, was essen. Wir haben ja schließlich das Mittag- und Abendessen verpasst.<<
>>Stimmt, ich hab auch Hunger. Aber wenn Christabel drinnen ist, hältst du mich nicht auf und ich prügel' mich mit ihr.<<
>>Okay. Was ist eigentlich an Christabel so toll?<<
>>Das Aussehen. Der Charakter ist mies, ja, ja. Hab ich auch schon begriffen. Aber das Aussehen ist halt toll.<<
>>Nur leider zählt der Charakter am meisten.<<
>>Ja, ja. Irgendwann will ich ja auch nichts mehr von ihr. Es gibt noch eine Menge andere, die ein tolles Aussehen haben. Carla, die hat aber einen miesen Charakter, Amira-Parizad, Inci, Ahuva, die aber auch einen miesen Charakter hat... Naja, Inci auch. Also ich meine, dass sie einen miesen Charakter hat.<<
>>Ja, natürlich. Inci hat einen richtig miesen Charakter. Mit der ist sogar Bela, der auch richtig mies ist, nicht klargekommen.<<
>>Das ist das Problem. Alle, die super aussehen, haben einen miesen Charakter.<<
>>Das gilt nicht für die ganze Welt. Aber für die Heimer.<<
>>Ja. Und wir Heimer haben eine ganz eigene Welt.<<
>>Genau. Magst du eigentlich nur die dunkelhaarigen?<<
>>Äh... ja. Die sehen am besten aus, finde ich.<<
>>Gilt das auch für Jungs?<<
>>Ääähhh... Nee, eigentlich nicht.<<
>>Ich finde Shun ziemlich cool... So von Aussehen.<<
>>Und der Charakter ist auch nicht ganz übel, nhe?<<
>>Kommt drauf an, ob er übel drauf ist.<<
>>Magst du eigentlich auch irgendwelche Jungs mehr als andere, die hell- oder dunkelhaariger sind?<<
>>Hm... Mit Ausnahme von Shun finde ich die hellhaarigen besser.<<
>>Stanisław zum Beispiel hat dunkelbraune Haare.<<
>>Genau.<<
>>Jungs mit hellen Haaren gibt es übrigens sehr viele. Soll ich sie dir auflisten? Ganz einfach: Es sind alle außer Shun, Stanisław, Lebron und Bert.<<
>>Stimmt.<<
>>Also sind es Bela, Arvo, Stephan,
Emil, Magnus, Waldo, Thilo, Erik... Und dann bin ich ja auch noch blond.<<
>>Die meisten davon kann ich ausschließen.<<
>>Und wie viele bleiben übrig?<<
>>Sag' ich nicht.<<
>>Verstehe!<<
>>Mhm..<<
>>Da ist Brot. Und da Käse und da Schinken.<<
>>Stimmt. Lecker. Ich mach' mir ein Sandwich.<<
>>Ich auch. Mit Gurkenscheiben. Die sind da, auf dem anderen Tisch.<<
>>Gute Idee.<<
>>Guten Appetit.<<
>>Guten Appetit.<< Als sie fertiggegessen hatten, trennten sie sich und gingen auf ihre Zimmer. Beziehungsweise Vidar ging irgendwohin und Nella ging auf Ekas, Valeskas, Ans und eigentlich Amys Zimmer. Nella putzte sich (mit einer aus ihrem Zimmer mitgebrachten Zahnbürste) die Zähne, zog sich um und stieg in ihr Bett. Warum hab ich so viel mit Vidar gemacht?, fragte sie sich, als sie unter ihrer Decke lag und gesehen hatte, dass Eka, Valeska und An schon schliefen. Ich hätte auch wegrennen können, nachdem ich ihn beatmet hab. Aber irgendwie hab ich das versäumt. Vielleicht, weil Vidar eigentlich ganz nett ist. Jedenfalls netter als Bela und Stanisław. Aber Shun ist auch so. Nur dass ich eben nie und nimmer in Shun verknallt sein könnte... Ähh... Für Vidar hab ich ja auch nur was übrig. Echt, meine Gedanken spielen heute verrückt. Wirklich, ich sollte jetzt besser gar nicht mehr denken. Hm. Aber ich kann einfach nicht aufhören zu denken. An Vidar, Shun, den Tag... Äh... Keine Ahnung. Und außerdem kann ja niemand meine Gedanken kontrollieren, deshalb kann ich ja jetzt noch weiterdenken. Aber ich will es übersichtlich haben. Was sind denn all meine Gedanken? Vor allem die an Vidar muss ich überprüfen. Die anderen können warten. Was sind eigentlich die anderen? Es gibt keine anderen! Aahhh! Oh nein, ich kann nur an Vidar denken! Na gut. Was denke ich denn so über ihn? Genau, Nella, was denke ich denn so über ihn? Hmm. Er ist sehr nett. Schön und gut. Er hat keinen Grips. Auch noch akzeptabel. Aber dass ich in ihn verknallt sein könnte, ist unmöglich. Es war ein ganz anderes Gefühl, als ich in Stanisław und in Bela war. Und die Freundschaft mit Shun war schon längst was ganz anderes. Wenn ich an Vidar denke, spüre ich was ganz anderes. Schade, dass ich nicht weiß, was. Uaaah, bin ich müde. Ich frage mich, was er denn so über mich denkt. Was könnte es denn sein, was ich spüre, wenn ich an ihn denke? Hass? Nein, auf keinen Fall. Eifersucht? Nein, auch nicht so richtig. Freude? Schon irgendwie. Neid? Gier? Nie im Leben. Sorge? Höchstens um seine Gesundheit. Sehnsucht? Hm. Nicht wirklich, ich sehe ihn ja oft genug. L-Liebe? Ähh... Wahrscheinlich nicht, nhe, Nella? Es muss was anderes sein, oder, Nella? Oder, Nella? Aber ich lüge mich gerade an und verleugne mich selbst. Jetzt mal ganz ehrlich, Nella! Wenn ich in ihn verliebt bin, wie konnte ich dann in Stanisław und Bela verliebt sein? Da hatte ich doch ein ganz anderes Gefühl! Aber... aber... Vielleicht war ich gar nicht in die beiden verliebt! Ich hab die beiden nur so komisch gemocht! Eigentlich hat Bela immer nur diese dumme Pose gemacht und Stanisław war >süß< mit seinen dummen Fragen! Nein, es waren schlaue Fragen. Er ist sehr schlau... Zu schlau! Er hat mehr Grips als nötig! Vidar hat nicht so viel überschüssigen Grips. Er ist ungefähr so schlau wie ich. Stanisław passt zu Gül. Die ist dümmer und hat immer Probleme, die Stanisław mit seiner Intelligenz lösen muss. Unglaublich! Ich muss in Vidar verliebt sein.

Sonntag, 5. Januar 2025

5: Unausstehlicher Verbrecher

Nach dem Frühstück ging die Disko weiter.
Nella merkte, dass Shun ihr heute absichtlich aus dem Weg zu gehen schien. Anscheinend hatte er Wind davon bekommen, dass sie angeblich die Sache mit Valeska weitererzählt hatte. Er tummelte sich mit anderen Jungs und ließ sich nicht viel blicken.
Nella dachte: Mist, jetzt ist Shun richtig beleidigt. Eine Person weniger, mit der ich befreundet bin. Dabei wollte ich es gar nicht weitererzählen, das haben die anderen gemacht. Vielleicht ist er jetzt gar nicht mehr in Valeska, weil es ja jetzt alle wissen, und zwar angeblich von mir. Ich hab Shun schon gemocht, das muss ich schon sagen. Ich war natürlich nie in ihn verliebt. Was für ein dummer Gedanke! Unvorstellbar! Und jetzt erst recht. Ich kann ihn ja verstehen. Anders als Bela und Stanisław. Er ist wirklich besser als die beiden. Aber jetzt ist die ganze Freundschaft aus. Das liegt zum Teil an Valeska. Die hab ich noch nie gemocht. Die isst ja auch noch spätabends Kekse und lässt sich vom Smartphone berieseln. Das ist echt ungesund. Ich hätte nicht gedacht, dass Shun in so eine komische verknallt sein konnte. Er hat mir immer so gute Ratschläge gegeben. Ich wusste nur durch ihn, wer Bela in Wirklichkeit ist. Ohne ihn würde ich diesen blöden Fiesling jetzt immer noch lieben. Pah, nur wegen einer lächerlichen Pose! Aber jetzt ist Shun für immer futsch.
Sie machte sich fertig und ging missmutig in den Gemeinschaftsraum, der in eine Diskothek verwandelt worden war. Sie schaute grimmig zu, wie Eka mit Malwin tanzte. Malwin sah relativ lustlos aus und schaute kaum zu Eka. Viel mehr schaute er sich die ganze Zeit nach Iracema um. Wie konnte Eka das nur nicht auffallen? Sie war viel zu gutmütig! Sie sah alles durch die rosarote Sonnenbrille, aber das schadete ihr! Nella wollte ihr das begreiflich machen, aber sie war gerade wie stumm und ihr fehlte die Lust.
Nella wandte sich ab und suchte mit ihren Augen den Raum nach einer Person ab, der sie das Missverständnis mit Shun beichten konnte. Zu schade, dass das jetzt nicht mehr Shun selbst sein konnte. Er konnte das am besten.
Da! Amy kam auf sie zu! Vielleicht war sie die Erlöserin!
>>Hast du irgendwas? Es scheint dir nicht so gut zu gehen<<, fragte Amy.
Nella erzählte ihr das ganze Problem.
>>Ah, verstehe<<, meinte Amy. >>Aber du hältst mich nur auf. Ich geh jetzt und sag's weiter. Viel Glück in deiner Liebe.<< Und weg war sie.
Nella schlug in der Luft nach ihr.
Gül und Stanisław gingen vorbei.
>>Cooler moderner Tanz, den du da machst. Kenn' ich noch gar nicht<<, kommentierte Gül höhnisch.
Nella verfluchte Gül innerlich. Aber da war Gül auch schon vorbeigelaufen. Stanisław trödelte ein bisschen.
Nella sackte auf den Boden und schlug mit den Fäusten auf das Parkett. Es schien ihr, als würde die ganze Welt sie verlassen und sich gegen sie verschwören. Eka beschäftigte sich nur andauernd mit diesem dummen Malwin, der sie nicht einmal liebte, Gül beleidigte sie unberechtigt, Amy war ihr keine große Hilfe, weil sie immer nur unentwegt alles weiterplapperte und einfach eine Verräterin war, Bela war blöd und liebte Rhiannon und Shun war in nicht versöhnlicher Stimmung. Da blieb nur noch Stanisław. >>Stanko! Hilf mir!<<, schrie sie außer Kontrolle. Dass alle das hören konnten, war ihr jetzt egal. Und dass Stanisław so blöd war, war ihr auch egal. Jetzt brauchte sie ihn. Shun wäre natürlich am optimalsten gewesen, aber er ging ja jetzt nicht.
>>Was hast du?<<, fragte Stanisław.
>>Li... äh... Freundschaftskummer!<<, rief Nella ihm ins Gesicht.
>>Um wen geht's denn?<< Stanisław hockte sich zu ihr.
>>Ich hab keinen Grund, dir das zu sagen, aber... Shun<<, erzählte Nella.
>>Was hat er gemacht?<<
>>Viel mehr hab ich was gemacht.<<
>>Was denn?<<
>>Ich hab angeblich weitererzählt, dass er in Valeska verliebt ist... oder war.<<
>>Und jetzt ist er beleidigt?<<
>>Bingo.<<
>>Sieht ihm ähnlich.<<
>>Eigentlich nicht so.<<
>>Ich find' schon. Für mich sieht er ja immer irgendwie beleidigt aus.<<
>>Du kennst ihn nicht.<<
>>Das stimmt.<<
>>Wie kann ich die Freundschaft wiederherstellen?<<
>>Wart ihr echt Freunde? So richtige Freunde? Das glaube ich nicht, aber es ist sehr gut!<<
>>Kann ich mir vorstellen, dass du das sehr gut findest. Ich fände es aber eher gut, wenn du mir einen Rat geben könntest.<<
>>Zuerst eine Frage: Mochtet ihr euch auch?<<
>>Bei ihm weiß ich das nicht... Ich glaub'... Ja, ich hab ihn schon gemocht... Am Anfang noch nicht so, echt nicht so, aber dann, später... Dann waren wir halt Freunde... Genau, dann haben wir ja noch so ein Treffen gemacht, na ja, das war eher am Anfang... Das hast du ja wahrscheinlich mitbekommen...<<
>>Ehrlich gesagt nicht. Jedenfalls hab ich 2 Ratschläge. Einen für den Fall, dass du unbedingt wieder mit ihm befreundet sein willst und einen für den Fall, dass du ihm eins auswischen willst, weil er so unberechtigt beleidigt war.<<
>>Warum soll ich ihm eins auswischen? Und außerdem: Warum hast du das Treffen nicht mitbekommen?<<
>>Ach, wolltest du etwa, dass ich es mitbekomme? Na ja, ganz einfach: Der Grund war: Ich war beschäftigt.<<
>>W... äh...Wieso? Ich dachte nur, du hättest es mitbekommen...<<
>>Tja, leider war das nicht der Fall.<<
>>Wieso nicht?<<
>>War halt beschäftigt.<<
>>Womit?<<
>>Mit Gül.<<
>>Ah... Aber was sind die Ratschläge?<<
>>Ah ja, genau. Die Ratschläge. Hm, ja. Die. Also... Hörst du zu?<<
>>Ja, ich höre zu. Aber nur, wenn du mir jetzt die Ratschläge sagst und mich nicht länger auf die Folter spannst.<<
>>Ja, ja. Aber zuerst noch eine Frage beantworten, die du mir stelltest: Warum solltest du Shun eins auswischen wollen? Nun, er war ja so beleidigt. Allerdings nicht aus gutem Grund, sondern weil es ein Missverständnis gab.<<
>>Nun ja, Missverständnisse sind ja verständlich... Zumindest, wenn es echte Missverständnisse sind. Mhm, genau.<<
>>Ja, also. Die Ratschläge. Es waren ja 2. Also. Ja, ja, die. So. Der erste: Entschuldige dich einfach bei ihm und schon läuft alles wieder wie geschmiert nach Plan, wenn vorhanden.<<
>>Äh, ja, ich hab natürlich einen Riesenplan mit Shun! Klar! Heiraten und sowas! Ist doch sonnenklar!<<
>>Du lügst wie gedruckt, obwohl ich diese Pläne natürlich super finde. Aber zum zweiten Plan... äh, Ratschlag. Du möchtest ihm also eins auswischen. Soso. Deshalb freundest du dich einfach mit einem anderen an und eine Beziehung entsteht. So sind alle Hoffnungen auf dich von Shun zerstört, und er versucht es mit wem ganz anderen. Und wahrscheinlich hat er nicht so viel Glück, weil er ja normalerweise nicht gerade ein Glückspilz ist. Die Sache mit Valeska zum Beispiel. Sehr dramatisch und verloren. Hm. So steht es mit Shun und seinem Glück.<<
>>Ja, ja... aber findest du diese Pläne wirklich super?<<
>>O ja! Natürlich! Ganz sensationell! Fantastisch! Ich meine es ernst!<<
>>Ach so... äh... Insgeheim will ich ihn natürlich töten, so unter uns...<<
>>Das hört sich nach einer dreisten Lüge an.<<
>>Is' es auch, du Genie!<<
>>Toll! Dann könnt ihr ja wieder heiraten, du und Shun!<<
>>Na ja, eher wiederwillig. Und gelogen.<<
>>Was willst du denn dann mit ihm machen? Kill und Marry sind nicht, dann bleibt noch Kiss! Willst du ihn etwa küssen? Ich bin dafür! Das ist gut! Das ist eine gute Idee!<<
>>Wenn's schnell vorüber ist... Aber ehrlich gesagt auch nicht.<<
>>Dann weiß ich auch nicht mehr weiter. Aber auch egal. Do widzenia, Nella!<<
>>Au revoir.<< Und Nella war allein. Umgeben von Menschen, aber allein. Sie hörte noch, wie Stanisław auf polnisch mit Gül kommunizierte, dann konnte sie seine Stimme im lauten Gewusel nicht mehr erkennen.
Nella stand auf. Sie sah sich nach Eka um. Die hörte der Band zu, die gerade auf der Bühne stand. Es war >Die Band<.
War ja auch so was von klar. Da macht ja dieser komische Malwin mit. Und An ist da auch und Valeska, die Keks-Nasch-Streit-Anfängerin. Und da ist noch dieser Vidar. Der singt am besten. Ist nicht mein Typ, aber die anderen sind wirklich viel schlimmer. An und Valeska singen viel zu leise und Malwin viel zu laut und schnell, dass es einem danach in den Ohren dröhnt. Hoffentlich findet Eka das nicht auch noch gut und anziehend. Das wäre wirklich schlimm. Sie würde so was von in schlechte Hände geraten... Ich stell's mir lieber gar nicht vor
, dachte Nella.
Als Eka Nella sah, rief sie ihr durch den ganzen Lärm zu: >>Malwin singt super, nhe?<<
Nella zuckte zusammen. >>Na ja, im Gegensatz zu An und Valeska vielleicht...<<
Aber Eka hatte auch schon wieder nur Ohren für Malwin und seine Band.
Nella setzte sich neben sie auf einen Barhocker und schnappte sich einen alkoholfreien Cocktail. Sie versuchte, die Geräusche von Malwin, An und Valeska in ihren Ohren auszublenden und sich nur auf Vidars angenehmeren Gesang zu konzentrieren. Leider wurde sie von einer Fliege gestört, die sich für ihren Cocktail interessierte. Nella versuchte, sie wegzuscheuchen, aber die Fliege wurde aggressiv und flog auf ihr Auge zu. Nella kniff es instinktiv zu. Als sie es Sekunden später wieder aufmachte, war die Fliege fort. Sie sah zu Vidar, um sich besser auf sich seinen Song konzentrieren zu können. Er zwinkerte ihr komischerweise zu. Nella begriff. Sie hatte ja eben >gezwinkert<, also ihr Auge zugekniffen, und er hatte gedacht, dass sie ihm zugezwinkert hatte. Auch ein Missverständnis, allerdings ein angenehmeres und kleineres.
Vidar zwinkerte ihr demonstrativ noch einmal zu. Offenbar erwartete er eine Zwinker-Antwort. Nella zwinkerte dreimal hintereinander zu ihm. Hoffentlich ist jetzt gut, dachte sie. Und es war auch gut. Denn Vidar hatte den Kopf gedreht und aufgehört zu singen und zu zwinkern. Außerdem schaute er jetzt zu Amira-Parizad, die ihm auch zuguckte- und hörte und ein Fan von ihm war.
Amira-Parizad winkte Carola-Lee zu sich heran und sie betraten die Bühne, während >Die Band< herabstieg. Die Lieder von >Parihan< waren diesmal erfahrungsgemäß nicht spannender. Carola-Lee laberte wieder von ihren hypochondrischen frühreifen Schwestern Tina und Smilla. Amira-Parizad trällerte dummes Zeug.
Nella und Eka wandten sich ab.
>>Ehrlich, ich finde Malwin richtig gut! Wenn die so leise singen wie Valeska und An, versteht man doch nichts! Und Vidar ist total larifari und labbrig und langweilig! Malwin singt mit Lust. Das ist gut<<, sagte Eka zu Nella.
>>Ja, Malwin singt mit viel Lust. Mit viel zu viel Inbrunst und Energie. Man muss so larifari und labbrig sein, sonst hört es sich nicht gut an.<<
>>Es hört sich dann richtig schrecklich an! Man will gar nicht zuhören!<<
>>Ich schon. Du ja nicht.<<
>>Ich geb's zu, ich höre nur wegen Malwin zu! Von alleine würde ich der Band nie zuhören! Und die ganzen Gerüchte mit Iracema: Ich glaub das nicht! Das ist Quark und Hirnschmalz, den niemand braucht!<<
>>Ich höre nur wegen Vidar zu. Und das sind nicht bloß Gerüchte, das ist wahr.<<
>>Seltsam, dass wir da unterschiedlicher Meinung sind. Ich hätte gedacht, dass wir total gleich denken.<<
>>O nein, wir denken überhaupt nicht total gleich. ich könnt's dir ein Leben lang klarmachen: Malwin ist in Iracema!<<
>>Ich muss schon sagen, dass das sehr pessimistisch von dir ist. Ich glaube das ganze Zeug nicht.<<
>>ich will dich nicht beleidigen, aber du bist richtig übergeschnappt und dein Optimismus ist gar nicht gut für dich!<<
>>Ich bin keineswegs verrückt und der Optimismus ist super! Du bist einfach zu pessimistisch, das ist es!<<
>>Ich leide nicht an Pessimismus. Ich bin auch gar nicht pessimistisch. Ich finde zum Beispiel, dass Vidar gut singt.<<
>>Ja, aber nur, weil du Malwin nicht traust. Außerdem solltest du dir am besten gar keine Hoffnungen auf Vidar machen. Der ist super trendy und it. Alle Mädchen sind richtig scharf auf ihn.<<
>>Ich begehre ihn nicht! Ich begehre und ich verehre Vidar nicht!<<
Malwin kam in Begleitung von Iracema auf die beiden zu. Er schien sagen zu wollen: Hallo Eka, das ist meine neue Freundin Iracema. Aber Eka schien Iracema gar nicht einmal wahrzunehmen. Malwin wirkte das sehr zu beruhigen. Nella erkannte das daran, dass sich seine Gesichtszüge augenblicklich zu entspannen schienen. Seine halblangen Haare wurden wieder schlaffer, seine Haltung gebückter. Auch Iracema wurde merklich ruhiger.
Eka ging besonnen weg.
Malwin schien sich auch noch darüber zu freuen.
Iracema lächelte erleichtert. Dann hakte sie sich zu allem Überdruss und Übel bei Malwin ein.
Malwin ließ sich das sehr gefallen und grinste zufrieden.
Iracema zog ihn zu sich und machte Anstalten, ihn zu umarmen. Das fand Nella nun wirklich sehr übertrieben.
Malwin sah nicht gerade so aus, als wolle er losgelassen werden.
>>Gleich tanzen wir aber weiter, oder?<<, fragte Iracema.
>>Oh. Iracema<<, sagte Malwin. >>Natürlich.<<
Nella fand den Dialog sehr provozierend. Malwin und Iracema trieben es jetzt aber bis auf die Spitze. >>Der Herr und die Dame sind aber sehr gemein zu Eka<<, kommentierte sie gereizt.
>>Was denn? Darf ich denn kein Privatleben haben? Und was kümmert uns schon Eka?<<, entgegnete Malwin.
>>Ach so, das ist dein Privatleben. Eka ist also nur eine Attrappe! Du bist aber ein fieser! Richtig abscheulich! Eka mag dich nämlich schon, das weißt du!<<, rief Nella.
>>Darf sie doch, oder? Ganz viele mögen mich! Zum Beispiel Iracema, aber auch ganz andere. Diese Charlotte, die längst mit Arvo zusammen ist oder so. An auch, die ist nur wegen mir in der Band. Und um mich nicht zu übertönen, singt sie immer so leise. Nur seltsam, dass du was gegen mich hast!<< Malwin legte den Arm um Iracemas Schulter.
>>Ich hab schon immer gewusst, dass unter deiner dämlichen Schale ein schlimmer Verbrecher steckt!<<, keifte Nella.
>>Ach, ein Verbrecher? Das würde ich jetzt aber nicht so sagen. Ich bin halt auffällig. Kann ich was dafür? Nö<<, spielte Malwin den Unschuldsengel.
>>Du bist so süß<<, sagte Iracema zu ihm.
>>Ich finde ihn gar nicht süß!<<, fauchte Nella sauer.
>>Außerdem ist er kein Verbrecher. Er mag ja nur eine<<, flötete Iracema.
>>Genau, nämlich sie, Iracema!<<, bestätigte Malwin selbstsicher.
>>Und deshalb ist er kein Verbrecher<<, meinte Iracema.
>>Dann ist er halt kein Verbrecher, aber ein Herz-Brecher<<, blaffte Nella.
>>Ist doch nicht schlimm! Dann bin ich halt einer! Jedenfalls mehr als ein Verbrecher, du dickes dummes Ding!<< Malwin schien sich seiner Sache sehr sicher zu sein.
>>Genau, dann ist er halt einer! Aber mit mir ist er fest!<<, mischte sich Iracema ein.
>>Ihr seid unausstehlich. Ich hasse euch<<, zischte Nella.
>>Sollst du doch. Ich halt' auch nix von dir. Und von Iracema kann man wirklich nicht behaupten, dass sie unausstehlich ist<<, bellte Malwin.
>>Malwin ist stolz darauf, unausstehlich zu sein, und ich bin auch sehr stolz auf ihn. Außerdem ist er für mich nicht unausstehlich, sonder unwiderstehlich!<<, sagte Iracema.
>>Genau, ich bin unwiderstehlich!<<, stimmte ihr Malwin zu.
>>Ich widerstehe dir sehr wohl!<<, regte sich Nella auf.
>>Oh, das merke ich sogar. So dumm bin ich nun auch wieder nicht.<< Malwin runzelte die Stirn.
>>Du bist genausoschlimm wie Bela, wenn nicht sogar schlimmer<<, konterte Nella.
>>Ach ja? Die liebe Iracema sieht das aber anders<<, bemerkte Malwin.
>>Malwin ist schon schlimm, aber Bela ist noch viel schlimmer. Und das hab ich jetzt nicht negativ gemeint, dass Malwin schlimm ist. Ich finde das sehr cool<<, sagte Iracema.
>>Ich finde das nicht cool! Ich finde Shun cool, jetzt mal ganz ehrlich. Vidar ist auch ganz cool.<< Nella baute sich vor Malwin auf.
>>Oh! Du liebst zwei Menschen!<< Malwin tat erstaunt.
>>Shun ist der alleruncoolste Mensch der Erde. Und Vidar ist auch nicht viel besser, weil er nicht schlimm ist<<, behauptete Iracema.
>>Shun ist nicht der alleruncoolste Mensch der Erde!<<, sagte Nella energisch.
>>O doch! Er ist ein Pechvogel und eine beleidigte Leberwurst!<< Iracema bekam einen Lachanfall. Malwin lachte mit.
>>Ich finde das gar nicht zum Lachen!<<, schrie Nella angriffswütig. >>Shun ist gar nicht so ein Pechvogel! Aber weil er diskriminiert wird, wird er zu einem gemacht! Dieses Pech ist nicht verdient! Ich würde ihm am liebsten sein ganzes Pech wegnehmen!<< Nella sprang in die Luft.
>>Oho, oho! Welch erstaunliche Worte!<<, fiel Malwin auf.
Nella rannte weg. Sie hielt das nicht mehr aus. von weitem konnte erkennen, wie Malwin und Iracema zu tanzen begannen.
Nella nahm sich einen Snack von der Bar. Er stellte ihr Mittagessen dar.
Gerade war die Band >Die Klänge der Liebe< auf der Bühne. Sie bestand aus Ahuva und Ling. Die beiden sangen zusammen diesen Song:

When I hear the sound of jade pieces ringing,
I think of my name Because my name is Ling When I hear a boy call a girl his lover,
I think of my name For my name is Ahuva When I write my name,
It sounds in my ears without me hearing it,
because it is so beautiful When I read my name,
It sounds in my ears without me hearing it
because it has such a beautiful sound When I hear my name,
I see pieces of ringing jade in front of me So green and so beautiful and so shimmering When I hear my name,
I see myself as beloved Just the way I would like it When I think of the meaning of my name
I wish it were true But she's too good to be true To be as beautiful and shiny as jade, To have a voice as beautiful
As the sound of the jade pieces,
To be rich in gold and jade and precious stones To be as happy and carefree as a lover every day So freed from all sorrow of being hated,
Of being To be rich in beautiful moments
Sometimes I think my name can never come true
But he can do it if you believe in it
And sometimes he will
But mostly only in a dream
My little sister's name is An 
This means peace in German
But I don't believe in it 
As much as I wish it sometimes. 
She is not peaceful for me 
'Cause we're always arguing
When I was little, I was always right
But now I'm grown up and An is right
My enemy's name is Majira 
I don't know the meaning 
But I still hate her 
No matter how hard I try to control my jealousy 
She makes my life more difficult
Because she stole Ling from me
When she wasn't there, 
I had Ling to myself But this time is over Nevertheless When I write my name,
It sounds in my ears without me hearing it,
Because it is so beautiful When I read my name,
It sounds in my ears without me hearing it
because it has such a beautiful sound When I hear my name,
I see pieces of ringing jade in front of me So green and so beautiful and so shimmering When I hear my name, I see myself as beloved Just the way I would like it

14: Abend-Telefonate

Während Nella das Frühstück aß, beriet sich Gül mit Midori. >>Gut, ich hab dieses Haus jetzt gekauft! Danke für deinen Viertelanteil, ...